Probenbericht Januar 2018 | Teodor Currentzis und das SWR Symphonieorchester

Jedes Detail zählt

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Erstmals konzertiert Teodor Currentzis als designierter Chefdirigent mit dem SWR Symphonieorchester. Auf dem Programm stehen die 9. Sinfonie von Anton Bruckner und "Lontano" von György Ligeti. SWR2 Reporterin Marie-Dominique Wetzel hat während der Probe in der Stuttgarter Liederhalle in glückliche Gesichter geschaut.

Alle sind gespannt. Die Musiker auf den neuen Chefdirigenten Teodor Currentzis, der Dirigent auf „sein“ neues Orchester. Da kommt er: Teodor Currentzis strahlt über das ganze Gesicht. Er trägt einen dunklen, modischen Strickpullover, enge schwarze Jeans und schwarze Lederboots. Mit schnellen Schritten ist er am Pult, und schon geht es los – der dritte Satz von Bruckners 9. Sinfonie steht auf dem Probenplan.

Unentwegtes Feilen

Teodor Currentzis dirigiert mit weit ausholenden Armbewegungen, singt mit, mahlt mit dem Unterkiefer. Er ist ein unglaublich aufmerksamer Dirigent, ihm entgeht nichts: Da spielt jemand etwas zu laut, dort jemand ein klein wenig zu schnell. Sofort nimmt er Blickkontakt mit dem jeweiligen Musiker auf - er ermahnt, ermuntert, er fordert die Musiker dazu auf, mehr aufeinander zu hören, wirklich zusammen zu spielen.

Immer wieder lässt er einzelne Instrumentengruppen spielen, um sie für die anderen hörbar zu machen. Und Teodor Currentzis feilt unentwegt an den Tempi. Perfektion ist ihm wichtig, aber keine seelenlose – und deswegen gilt seine größte Aufmerksamkeit dem Ausdruck.

Video: Currentzis bei den Proben beobachtet

Es wird gelacht und geackert

Teodor Currentzis singt, stampft und versucht, die Musiker mit seinen weitausholenden Armbewegungen mitzureißen. Manchmal scheint es fast, als greife er den ersten Geigen neben ihm in die Seiten. Currentzis schont weder sich noch sein Orchester, doch zwischendurch sorgt er immer wieder dafür, dass auch gelacht wird.

Mit seinen 45 Jahren ist er jünger als viele im Orchester. Schon wenn er einzählt, merkt man, dass dieser Mann auch gerne mal Rock und Jazz hört. Bei der Probe schaut man in lauter glückliche Gesichter. Es wird gelacht und geackert, und die Musiker spenden sich immer wieder gegenseitig Applaus.

„So hatten wir uns das erhofft mit unserem neuen Chefdirigenten“, sagt der Hornist Peter Bromig strahlend: „Es macht so einen Spaß, mit ihm zu arbeiten! Es ist eine schöne Atmosphäre, wo man Lust hat, frei zu spielen. Insofern ist es eine wunderbare Probe. Es ist natürlich ein anstrengendes Stück. Aber er sagt genau, was er will. Er hat genaue Vorstellungen, gibt einfach Ideen, gibt der ganzen Sache eine Richtung.“

Teodor Currentzis: "Inneres Verlangen nach Neustart"

Und auch Currentzis selbst ist nach der Probe voll des Lobes über sein neues Orchester: „Ich bin sehr glücklich, weil ich ja wusste, dass das Orchester neu zusammengesetzt wurde und gespalten war. Ich habe mir Sorgen gemacht, in welchem Zustand ich dieses Orchester vorfinden würde. Aber es ist wirklich wunderbar. Wir kommen sehr, sehr schnell vorwärts. Die Musiker haben ein inneres Verlangen, einen Neustart zu machen. Das kann ich fühlen und das ist wirklich inspirierend.“

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SWR