Ein Lied wie ein Adventskranz

Wir sagen euch an den lieben Advent

Stand

Der Adventskranz hat sich erst nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland etabliert.

In einem neapolitanischen Volkslied: Ein einsamer Fischer in seinem Kahn. Er singt von der Schönheit eines Hafenörtchens am Golf von Neapel: Santa Lucía.

Was hat das alles mit dem Advent zu tun?

Sehnsucht nach Licht und Wärme in der dunkelsten Zeit des Jahres

Santa Lucia ist nicht nur ein Ort am Golf von Neapel, sondern auch eine Heilige, die im 3. Jahrhundert in Sizilien lebte. Sie war Christin, wurde deswegen verfolgt und gefoltert. Mit siedendem Öl soll sie übergossen worden sein, ein Schwert wurde ihr in die Kehle gerammt – doch die Heilige überlebte diese Qualen. Viele Legenden ranken sich um Lucia, die Patronin der Blinden. Heute wird sie vor allem als Lichtbringerin verehrt, schließlich bedeutet ihr Name "die Glänzende, Leuchtende". Ein Schwede würde sich nicht eine Sekunde über das neapolitanische Volkslied im Advent wundern. Denn vor allem in Schweden wird die Lichtbringerin an ihrem Gedenktag mit diesem Lied verehrt: am 13. Dezember, dem Luciatag.

Auf den 13. Dezember, den Luciatag, fiel nach dem alten julianischen Kalender die Wintersonnwende: der kürzeste und dunkelste Tag das Jahres. Der Luciatag liegt mitten im Advent, und weil es kalt und dunkel ist, braucht man in dieser Zeit Wärme und Licht – nicht nur im winterlich-düsteren Schweden. Vor der Erfindung des elektrischen Lichtes war die Dunkelheit noch dunkler und Licht aus teuren Rohstoffen wie Kerzen und Petroleum viel kostbarer als heute. Zu kostbar für den Alltag; weshalb in der Adventszeit besondere Festtage die Sehnsucht nach Licht stillen – eben auch der Luciatag. Den Brauch, Licht ins Dunkel dieser Jahreszeit zu bringen, haben wir uns trotz des elektrischen Lichtes bewahrt.

Der Advent als Buß- und Fastenzeit

Der Advent war früher auch in anderer Hinsicht eine dunkle Zeit: eine strenge Bußzeit, die 40 Tage dauerte – ebenso lange wie die Fastenzeit vor Ostern. Der Advent begann am 11. November und war vor allem in der Anfangszeit geprägt von Jammer und Schmerz über die heillose Welt, die die Ankunft des Messias ja erst notwendig macht: der Schrecken des Todes, die Düsternis der Welt, die Furcht vor dem Weltgericht am Ende der Zeit.

Zudem war der Advent eine Zeit der Vorbereitung, der Stille und Konzentration, in der gefastet wurde - auch um einen reich gedeckten Tisch an Weihnachten überhaupt zu ermöglichen. Die Strenge der langen Adventszeit wich der Vorfreude auf die Ankunft erst, wenn Weihnachten näher rückte. Das erklärt auch, warum sich so viele Adventslieder in mindestens einer Strophe mit dem irdischen Jammer auseinandersetzen – um dann Licht ins Dunkel dieser Welt zu bringen.

Im Johannes-Evangelium steht:

Heute ist die Adventszeit häufig eher Vorweihnachtszeit. Die Reflexion auf das Elend der Welt weicht Plätzchenduft und freudiger Erwartung. Die Ankunft des Herrn nähert sich. Und je näher sie kommt, desto heller wird es in unseren Wohnzimmern.

Die Entstehung des Adventskranzes

In Schweden trägt die Lucienbraut am 13. Dezember zu Ehren der heiligen Lucia einen Kranz mit brennenden Kerzen auf dem Kopf. Auch wir haben einen Kranz mit brennenden Kerzen: den Adventskranz. Mit ihm kommt nach und nach Licht in die Welt – jede Woche eines mehr. Wie ein Kalender ist der Kranz, ein Wochenkalender.

Ursprünglich war der Adventskranz ein Tageskalender. Mitte des 19. Jahrhunderts zündete Johann Hinrich Wichern in seinem Hamburger Erziehungsheim "Das rauhe Haus" für jeden Tag des Advents eine Kerze an. Auf einem zwei Meter großen Holzreifen angebracht, wurden sie wie ein Kronleuchter aufgehängt. Bald schon wurde der Reif mit grünen Tannzweigen geschmückt: Der Adventskranz war erfunden.

Johann Hinrich Wichern schildert diesen Brauch in seinem Tagebuch:

Der Adventskranz vereint mehrere Ebenen dieser besonderen Zeit: er veranschaulicht als Kalender das Warten, er bringt mit immergrünen Zweigen Leben in den Winter, er erleuchtet nach und nach die dunkle Welt.

Bis der ursprünglich protestantische Adventskranz in seiner heutigen Form in ganz Deutschland und darüber hinaus Verbreitung fand, verging noch ein ganzes Jahrhundert. Erst nach dem zweiten Weltkrieg hat er sich vollkommen etabliert. Aus dieser Zeit, aus dem Jahr 1954, stammt auch das Adventslied "Wir sagen euch an den lieben Advent". Eine Kerze nach der anderen wird im Text angezündet. Jede Kerze läutet eine andere Art der frohen Erwartung ein und führt näher an Weihnachten: Der Ankündigung einer heiligen Zeit, in der dem Herrn die Wege bereitet werden sollen, folgt die Aufforderung aktiv zu werden, sich gegenseitig anzunehmen; das Licht seiner Güte in die dunkle Welt zu bringen, sodass, wenn er kommt, alle Herzen licht werden.

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AUTOR/IN
SWR