Ungewöhnliche Musikberufe

Arndt-Helge Grap stellt Playlist für Edel-Restaurants und Kreuzfahrtschiffe zusammen

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INTERVIEW
Martin Hagen

Zunächst „Dieter Bohlen der Background-Musik“, dann der „Godfather of corporate sound“. Arndt-Helge Grap bezeichnet sich selbst als Medienunternehmer im Bereich der Musik. Ihm gehört die Firma „Radiopark“, die Playlists für Firmen entwickelt. Im SWR2 Musikgespräch erzählt er, wie Musik für Kreuzfahrtschiffe kuratiert wird und wie er zu diesem ungewöhnlichen Beruf gekommen ist.

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Herr Grab, wie bezeichnen Sie sich denn selbst? Sind sie Sounddesigner, ein Kurator für Playlisten oder Herrscher der Hintergrundmusik?

Es gab mal eine Zeitung, die hat mich „Der Dieter Bohlen der Backgroundmusik“ genannt. Ein Jahr später bin ich aufgestiegen zum „Godfather of Corporate Sound“. Wenn mich jemand fragt, was ich mache, sage ich normalerweise ich bin Medienunternehmer im Bereich Musik.

Wir kuratieren also mit dem gesamten Team. Wir kuratieren Musik für die Anforderungen unserer Kunden. Man muss ein bisschen was dazu sagen, weil die meisten Leute denken: „kann man damit Geld verdienen? Wer braucht das?“ Und wenn ich ein bisschen was erklärt habe, dann stellt sich doch ziemlich schnell raus, das ziemlich viele das brauchen.

Welche Leute brauchen das denn genau? Also woher kommt Ihre Kundschaft?

Ich selbst kann einigermaßen brauchbar eine italienische Nudel kochen, aber ein italienischer Koch kann das deutlich besser als ich. Und das ist so die Analogie, die ich meistens zu der Frage bringe. Denn wenn man eine vernünftige Atmosphäre mit einem ziemlich aufwendigen Musikmix gestalten möchte, und das nicht abhängig machen möchte von dem persönlichen Geschmack seiner Mitarbeiter, oder von einem selbst, dann beauftragt man Leute, die sich mit Repertoire sehr gut auskennen.

Oder anders formuliert der Hochzeits-DJ macht es allemal besser als man selbst. Und das ist so ein Beispiel dafür, dass wir in Räumen, wo die Atmosphäre für das Wohlbefinden, den Umsatz oder beides extrem wichtig ist, Profis beauftragen, den richtigen Sound zu finden, damit der Raum auch vernünftig klingt.

Welche unterschiedlichen Bedürfnisse gibt es da also? Erfordert das Sternerestaurant zum Beispiel eine andere Musik als das Kreuzfahrtschiff? Und wie gehen Sie darauf ein?

Selbstverständlich. Die Kreuzfahrt war ja mein erster Kunde, so bin ich überhaupt drauf gekommen. Ich war selbst mal beim Radio und habe einen Bericht über ein Kreuzfahrtschiff gemacht. Die wussten also, dass ich mich mit Musik ein bisschen auskenne, und habe mich dann später gefragt, ob ich in der Lage wäre, das Schiff musikalisch zu inszenieren.

Dazu muss man wissen, dass die Anforderungen auf dem Kreuzfahrtschiff extrem komplex sind. Wenn sie sich ein Schiff der aktuellen Größenordnung anschauen, also 4000–5000 Gäste plus 1000 Mann Besatzung, dann reden wir von 25 völlig unabhängigen Musikkanälen, die parallel ins ganze Schiff gegeben werden, weil wir ganz viele unterschiedliche Anforderungen haben.

Im Fitnessstudio wollen Sie was animatives haben, wenn sie auf dem Sonnendeck kurz vor Ibiza liegen, wollen Sie was chilliges, entspanntes haben. Wenn Sie in ihrem Sterne Italiener essen, dann passt Rockmusik überhaupt nicht. Und wenn Sie auch beim Japaner Sushi essen, wäre es doch ganz hilfreich, wenn Sie auch japanische Musik dort laufen haben. Es sind ganz unterschiedliche Anforderungen, die wir bedienen müssen.

Wie gehen Sie denn mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen Ihrer Kunden um? Der deutsche Unternehmer möchte sicher andere Musik hören, als der Scheich oder der Großindustrielle aus Südkorea.

Das ist korrekt. Also wir kriegen normalerweise in Briefing von dem, was die Präferenzen sind. Wir wissen, was der gerne hört oder was er gerne hätte, und, was wir ihm empfehlen würden. Für die einzelnen Bereiche würden wir uns die Räume angeguckt haben.

Wir arbeiten auch sehr häufig zusammen mit den Interior-Designern und kriegen Bilder von den Räumen, die wir musikalisch gestalten sollen, damit das alles zusammenpasst. Und für einen einigermaßen ambitionierten Musikredakteur ist das der Himmel auf Erden, weil sie müssen wirklich alles hören, was es auf diesem Planeten gibt. Und eben nicht nur die Top-40, die wir aus den Mainstream-Radios kennen, sondern ganz, ganz viel links und rechts dazu.

Auf welche Genres können Sie dazu zurückgreifen? Wie groß ist denn der Musik-Pool, der Ihnen zur Verfügung steht und welche Rolle spielt die Klassik? Wird die häufig verlangt?

Wir haben hier im Moment ein Repertoire, das weit über 1,5 Millionen Songs liegt. Die sind alle von einem Menschen gehört und archiviert, beschrieben und getagt worden. Wenn wir eine Skizze machen für ein erstes neues Programm, dann greifen wir sehr oft auf unseren Kopf zurück und nicht auf die Software vom Computer. Also Wissen ist Macht in unserem Bereich. Klassik spielt witzigerweise in den letzten zwei Jahren eine wieder größere Rolle.

Eine ganze Zeit lang ist sie in unseren Anforderungen nicht so häufig gefragt worden, als ich mit diesem Geschäft anfing, speziell im Bereich der Luxushotels, bestand das Musikprogramm in einer Lobby grundsätzlich aus irgendeinem säuselnden, möglichst unaufdringlichen Piano, das da vor sich hin dudelte. Und dann hat sich Anfang der 2000er die Hotelszene extrem geändert. Es kamen die ersten Designhotels, und die Direktoren waren nicht mehr Ende 50, Anfang 60, sondern waren gerne schon auch mal Mitte 30. Und die haben irgendwann auch mal festgestellt, dass Musik eines der wichtigsten Kulturgüter ist, das wir haben.

Auch bei jüngeren Zielgruppen und erst recht seit den 60er 70er-Jahren sind alle Jugendkulturen im Wesentlichen durch die Musik sozialisiert worden. Also warum spiele ich das nicht auch in meiner Lobby, nur weil irgendjemand mal festgelegt hat, das muss immer Instrumental sein. Wir haben gesagt, tötet diese belanglose Instrumentalmusik. Warum läuft da nicht ein Sting? Warum läuft dann nicht eine Melody Gardot, um erstmal aktuelle Beispiele zu machen? Oder ein Gregory Porter im Bereich Jazz, da passt doch alles super hier rein! Und dann haben wir alles geändert.

Und das war, glaube ich, auch am Anfang secret of success [Erfolgsgeheimnis], dass wir gesagt haben, wir machen es wirklich anders. Wir setzen Musik prominenter ein. Wir kümmern uns darum, dass da auch andere Anlagen reingebaut, die gut klingen. Dass man eben auch ein vernünftiges Sounderlebnis hat und dass die Stimme einen in einem Raum auch wieder abholt.

Eine Frage wie haben Sie den damals ihre Musikzusammenstellungen an die Kunden gebracht? Haben Sie da CD-Pakete verschickt? Denn die Technik und Audiodateien im Computer steckte damals noch in den Kinderschuhen.

Das waren in der Tat Update-CDs, also die Kunden haben von uns eine Abspieleinheit bekommen. Das war ein kleiner Mini-PC, der hat ein Laufwerk. Ich habe bis heute noch eine CD-Vervielfältigungsmaschine, weil wir noch einen Kunden haben, der so etwas noch bekommt.

Heute ist das natürlich zu 99 Prozent online. Aber wir haben immer noch Vorort einen kleinen Player. Heute ist das ein kleiner Rasparry Pi. Da werden die Inhalte sozusagen draufgeladen, jeden Tag frisch, damit die jeden Tag auch einen frischen Mix bekommen. Aber die Updates laufen über die Luft, over the air.

Letzte Frage Herr Grap: Gibt es denn Orte, die keine Place brauchen, also denn wirklich nur die Stille passt und Musik nur stören würde?

Wir haben auf einem Kreuzfahrtschiff vor kurzem dem Kunden empfohlen, in der Aussichts-Lounge keine Musik zu spielen. Es muss ein Ort auf dem Schiff geben, wo kein Rummel ist, wo man in Ruhe ein Buch lesen kann, wo man gerne auch mal stundenlang aus dem Fenster schaut und das Meer ansieht.

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