Glosse

Konzerte als Hochleistungssport: Gordon Kampe zu neuen Konzertformaten

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Gordon Kampe

Neue Konzertformate werden gerne gesehen. Aber was, wenn die Musik selbst das Format sprengt? Konzerte können nämlich auch Hochleistungssport sein.

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Musik en masse: Die Musikprogramme des 19. Jahrhunderts

Als Warmup eine Ouvertüre, hernach ein Virtuosenkonzert und nach dem Sektchen die Sinfonie. Wenn ein zeitgenössisches Stück auf dem Programm steht, gerne als Appetizer oder vor der Pause, aber bitte nicht so lang! So macht „man“ das. Eigentlich macht „man“ das aber noch gar nicht immer so.

Ich fänd‘ ja ein historisch informiertes Konzert mal ganz funky: Ein Reenactment des so berühmten (und unbeheizten) Konzerts vom 22. Dezember 1808 etwa – auf dem Programm: Beethovens Sinfonien Nr. 5 und 6, außerdem die Chorfantasie, das Vierte Klavierkonzert, zwei Teile aus der C-Dur Messe, als Schmankerl noch eine Arie. Heissa, da bekam man was geboten!

Wenn die fabelhafte Yuja Wang in diesen Tagen sämtliche Klavierkonzerte von Rachmaninoff an einem Abend spielt, dann kann man das als Hochleistungssport zugleich bewundern und belächeln – oder auch als ein neues-altes Konzertformat verstehen, indem es ums Ganze geht!

Es geht auch ohne Format

Neue Konzertformate brauchen wir, sage ich da! Und gleichzeitig sage ich: Schuberts B-Dur Sonate, braucht kein Format. Es gibt Musik, die lässt sich nicht formatieren, vielmehr formatiert sie uns!

Da rollt der hippe Konzertdesigner natürlich mit den Augen und nennt mich einen elitären Snob. Klar. Aber ich werbe um Verständnis: Wenn ich als Komponist nicht mehr daran glaube, dass zuerst die Musik und mit ihr der Inhalt kommt und erst dann der Rahmen und das Format, dann sollte ich den Beruf wechseln. Mich interessieren Formate, bei denen die Musik das Zentrum bleibt und die dennoch von der ausgenudelten Trias aus Ouvertüre, Virtuose und Überwältigung abweichen. Und die gibt es ja auch – längst mehr, als man denkt!

Formate, die die Musik zur Garnitur degradieren und zu einem hippen Event werden lassen – irgendwo zwischen Wellnessoase und diskursivem Schubidubidu: Nope, danke. Ich brauche keinen immersiven Videoschnee, um bei Vivaldis Winter zu frieren. Aber Vivaldis Winter gegenübergestellt mit einem der wunderschönen Schnee-Stücke von Hans Abrahamsen: das könnte schon schön frösteln. Die Diskussion über Konzertformate trifft nicht nur den klassischen Bereich.

Akustik wie Telefonzelle in Mordor

In der Welt der neuen Musik gibt’s auch manch Fragwürdigkeit: Ob ich sechs 15-minütige Uraufführungen hintereinander brauche, die sich alle gegenseitig auffressen? Ich weiß nicht... Zudem oft auch – und davon weiß ich ein Lied zu singen! – in „alternativen“ Räumen gespielt, die sich eher an der Akustik von Telefonzellen in Mordor als an dufte klingenden Konzertsälen orientieren.

Manchmal würde ich gern die Kunst selbst fragen, wie sie es denn gerne hätte. Wie denkt etwa die Mona Lisa über ihren Rahmen? „Rahmen? Format? – Für mich?“ sagt sie leise. Schaut mich kurz an – und lächelt unergründlich weiter.

Musikgespräch Yuval Weinberg über das interaktive Konzertprojekt "Ein Spiel"

Das SWR-Vokalensemble probiert etwas Neues! Ein neues Konzertformat mit dem Titel „ein Spiel“ soll die Zuhörenden interaktiv mit einbinden. Konkret bedeutet das: Das Publikum kann mitbestimmen, was gesungen wird. Yuval Weinberg, Leiter des Vokalensembles, erklärt den Ablauf: Alle spielen zusammen, es gibt ein Glücksrad, Spielkarten, und Joker. Über seine Idee und die Reaktion des Ensembles erzählt er im SWR2 Musikgespräch.

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Musikgespräch Festival der Musikhochschule Karlsruhe mit Risikomusik: R!SK

An der Musikhochschule Karlsruhe war die erste Ausgabe des Festivals R!SK zu sehen und zu hören. Gäste konnten bei dem Festival verschiedenste Konzertformate besuchen, die bei der Konzeption und Aufführung auch eine gewisse Portion Mut verlangen.

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Musikgespräch Dany Weyer zum Takeover Festival in Baden-Baden

Das Takeover Festival des Festspielhauses Baden-Baden geht vom 03.02. – 05.02. in die zweite Runde. Hier trifft ein BMX-Rad auf Streichquartett, das Augenmerk liegt außerdem auf der Partizipation der Besucher*innen mit den Künstler*innen. Bis auf das Budget gibt es keine Vorgaben seitens der Intendanz, verspricht Dany Weyer, Leiter der Abteilung „Partizipation“ am Festspielhaus Baden-Baden.

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Musikthema Auftaktbericht zum Eclat-Festival 2023

Seit 40 Jahren hat Stuttgart ein Festival für Neue Musik. Veranstaltet wird Eclat von Musik der Jahrhunderte und der Intendantin Christine Fischer. Start ist am 01.02. im Theaterhaus, Ende am 05.02. mit dem Konzert zum Stuttgarter Kompositionspreis. Auch der SWR ist aktiv dabei, mit zwei Konzerten des Orchesters und des Vokalensembles am Freitag und Samstag. Martina Seeber blickt voraus und hinter die Kulissen.

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