DVD-Tipp

Hans Werner Henze: Die Bassariden

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AUTOR/IN
Eva Hofem

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Die Oper „Die Bassariden“ von Hans Werner Henze wurde in Salzburg aufgeführt. Jetzt ist eine DVD von dieser Produktion erschienen, ganz traditionell mit den Wiener Philharmonikern aus der Salzburger Felsenreitschule. Dirigent Kent Nagano auf einem Kurs zwischen Tradition und Moderne. Eva Hofem hat sich die DVD angeschaut.

Monumentale und sperrige Oper

Wie bringt man eine monumentale und gleichzeitig sperrige Oper auf die Bühne? Dieser Frage müssen sich zwangsläufig wohl alle Regisseure gestellt haben, die Hans Werner Henzes „Die Bassariden“ bisher inszeniert haben. Monumental deshalb, weil das mythologische Sujet so fest in der Operngeschichte verankert ist wie die Felsenreitschule in Salzburg. Und sperrig, nun ja - unter anderem, weil die Handlung nicht so einfach zu erklären ist.

Uraufführung 1966

Doch erst einmal die harten Fakten: Hans Werner Henzes Oper wurde 1966 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt, die Festspiele selbst waren der Auftraggeber des damals 40-jährigen Komponisten. Der Text zur Oper war ursprünglich auf Englisch, doch schon für die Uraufführung wurde alles auf deutsch gesungen - das waren eben andere Zeiten. Und so sind die Bassariden 52 Jahre später im Jahr 2018 wieder an ihren Ursprungsort zurückgekehrt - diesmal aber ganz original auf Englisch und ungekürzt. Eine gute Entscheidung.

Libretto basiert auf einem Drama von Euripides

Das Libretto der Oper geht auf das Drama „Die Bakchen“ von Euripides zurück: Im antiken Theben wird von einigen Bürgern ein neuer Gott verehrt, Dionysos. Doch wie das mit Neuerungen oft so ist, König Pentheus ist skeptisch und verbietet den doch recht freizügigen Kult. Denn: er will nicht einsehen, dass Dionysos tatsächlich der Sohn seiner Tante Semele ist. Die hatte mal ein Verhältnis mit Zeus, wurde schwanger und ist schließlich durch eine List seiner eifersüchtigen Ehefrau gestorben. Seitdem verehrt die eine Hälfte des Thebischen Königshaus Semeles Leichnam und die andere Hälfte verachtet sie. Auf diesem Grundkonflikt baut Henzes Oper auf.

Blutiges Happy End

König Pentheus geht schließlich gemeinsam mit Dionysos, den er natürlich nicht erkennt, auf den Berg Kythrion und schaut sich die wild gewordenen Frauen und den Dionysos-Kult mal aus der Nähe an. Dumm nur, dass sogar seine eigene Mutter so in Trance ist, dass sie ihren Sohn nicht erkennt und ihn köpft. Wieder im Palast erkennt sie ihre Tat, Dionysos gibt sich zu erkennen, lässt den Königshof verbrennen und bittet seinen Vater Zeus, ihn und Semele im Olymp als Götter aufzunehmen. Zumindest für die beiden also ein Happy End...

Gut aufgestelltes Ensemble

Der amerikanische Tenor Sean Panikkar ist ein echter Glücksgriff für die große Rolle des jungen Dionysos. Man schaut ihm einfach gerne zu und stimmlich ist er dieser Rolle ebenso gewachsen - das ist keine Selbstverständlichkeit. Russell Braun als König Pentheus gliedert sich da nahtlos ein, gemeinsam geben die beiden ein Duo ab, dem man die symbiotische Hass-Liebe zu jedem Zeitpunkt abnimmt. Das Ensemble ist generell sehr gut aufgestellt, kein Sänger sticht hier einen anderen aus, weder stimmlich noch spielerisch. Im sogenannten Intermezzo sieht der prüde König Pentheus durch einen Spiegel, welche lasziven Spiele seine Mutter und seine Tante auf dem Sündenberg erleben.

Lohnenswertes Opernerlebnis auf DVD

Schon alleine, weil dieses spezielle Werk so selten gespielt wird, lohnt es sich in jedem Fall, es auf DVD anzuschauen. Auch gerne mit den obligatorischen Unterbrechungen, denn dafür sitzt man ja auf der Couch statt im Theater. Und kann dann sogar noch im Booklet die Handlung nachgelesen werden. Die ist dort nämlich sehr ausführlich erklärt. Was leider fehlt sind Hinweise zur Inszenierung und das ist ein Problem. Denn die Inszenierung ist ebenso symbolgeladen wie die Oper an sich. Regisseur Krzysztof Warlikowski lässt seine Bassariden auf einer mehrfach unterteilten Bühne spielen, sodass mehrere Räume gleichzeitig bespielt werden können. Ein kluger Schachzug, zumal die Handlung immer wieder an verschiedenen Orten gleichzeitig stattfindet. Leider bekommt man als DVD-Zuschauer so gut wie nie die gesamte Bühne zu sehen. Die Schnitte sind schnell platziert, die Kamera filmt mal von oben, mal von der Seitenbühne und manchmal sogar in Zeitlupe - so viel Filmkunst lässt das Geschehen auf der Bühne nur schwer greifen.

Dennoch bleibt es dabei: Auf jeden Fall anschauen, auch ohne große Opernerfahrung. Und am besten nicht von der abstrakten Inszenierung abschrecken lassen. Es gibt schließlich einen Grund, warum sich Henze im zeitgenössischen Opernrepertoire hält.
Er ist nämlich der Ansicht, dass…

Ich bin der Ansicht, dass der Weg von Wagners Tristan zu Mahler und Schönberg noch lange nicht ausgeschritten ist, und mit den Bassariden habe ich versucht, ihn weiterzugehen. Ich will nicht verzichten auf das, was uns die Jahrhunderte zuspielen.“

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Eva Hofem