DVD-Tipp

Erich Wolfgang Korngold: Das Wunder der Heliane

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AUTOR/IN
Moritz Chelius

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Die Oper „Das Wunder der Heliane“ von Erich Wolfgang Korngold wurde seit ihrer Uraufführung 1927 nur wenige Male aufgeführt. Letztes Jahr hat die Deutsche Oper in Berlin mit dem „Wunder der Heliane“ einen Überraschungserfolg gefeiert, nun ist sie auf DVD erschienen. Moritz Chelius hat sich die Oper angesehen.

Im Jahr 1927 buhlten zwei Opern um die Gunst des Wiener Publikums: Ernst Kreneks sogenannte Jazzoper „Johnny spielt auf“ und Erich Wolfgang Korngolds „Das Wunder der Heliane“. Eine clevere Tabakfirma brachte flugs zwei Zigarettenmarken in die Geschäfte: Die billige „Johnny“, ungefiltert und kräftig im Geschmack, und die „Heliane“: Eine Luxuszigarette in der Golddose, umhüllt mit lilafarbenem Papier und voll komplexer Aromen.

Musik wie ein Stachelbeer-Baiser

Was da aus dem Orchestergraben der Deutschen Oper kommt, ist tatsächlich sehr komplex. Ein dreistündiger hyperromantischer, intensiver Klangrausch. Nach der Berliner Aufführung letztes Jahr verglich ein Kritiker die Musik mit Stachelbeer-Baiser: Süß-klebrig, herb-sauer und kalorienstark. Dazu verlangt Korngold ein besonders reich besetztes Orchester: Knapp hundert Instrumente, darunter effektvolles Schlagwerk und Tasteninstrumente wie Orgel, Celesta und Glockenspiel. Auf der Bühne ein wuchtiger Opernchor, neben der Bühne Fanfaren und Posaunen, und hinter der Bühne ein Frauenchor, der ähnlich wie in einer griechischen Tragödie die Handlung kommentiert.

Zeitloser Kernkonflikt

„Das Wunder der Heliane“ erzählt eine Dreiecksgeschichte: Von der traurigen Heliane, von ihrem vom Leben angeekelten Mann, dem Herrscher, und von einem faszinierenden, zum Tode verurteilten Fremden, mit dem Heliane eine Liebesbeziehung eingeht. Dazu kommen christliche und mythologische Elemente: Gleich mehrere Figuren stehen in der Oper beispielsweise von den Toten wieder auf. Der Kernkonflikt ist zeitlos: Es geht um eine Ehe, die emotional wie sexuell erkaltet ist und deshalb anfällig wird für Seitensprünge, Eifersuchtsdramen und Gewaltexzesse.

Komplexe Rolle der Heliane

Der Herrscher ist eine der drei Hauptrollen. Josef Wagners kräftiger Bass-Bariton ist jederzeit gut verständlich. Den zutiefst gekränkten Ehemann, der in rasender Wut zum Äußersten bereit ist, spielt er überzeugend. Die komplexeste Rolle aber verkörpert Heliane. Ihre Ehe hat sie unglücklich und kalt gemacht, aber durch die Begegnung mit dem geheimnisvollen Fremden fühlt sie wieder Mitleid und Liebe. Sie wird den Fremden vom Tode auferwecken, selbst sterben und wieder lebendig werden. Sara Jakubiak meistert diese äußerst schwierige Partie betörend, ihr hoher Sopran strahlt in hellstem Weiß.

Karges Bühnenbild

Das Bühnenbild an der Deutschen Oper ist an Sachlichkeit kaum zu überbieten: Ein mit dunklem Eichenholz vertäfelter, karger Raum dient erst als Gefängniszelle und später als Gerichtssaal. Regisseur Christof Loy lenkt damit den Fokus auf die Personen, deren Spiel umso eindringlicher wirkt. Wenn Heliane vor dem Fremden ihr Kleid fallen lässt, erscheint ihre Nacktheit auch deshalb so verletzlich, weil sich ihr weißer Körper vor dem schwarzen Hintergrund abhebt und mit nichts anderem auf der Bühne konkurrieren muss. Überhaupt steckt das ganze Stück voller Erotik. Gleich drei Liebesduette hat Erich Wolfgang Korngold komponiert, der „Das Wunder der Heliane“ während seiner Flitterwochen schrieb und seiner Frau widmete.

Spannende Dokumentation einer selten inszenierten Oper

Am Schluss gab es für die Berliner Inszenierung tosenden Applaus und minutenlange standing ovations. Und auch auf DVD überzeugt die Oper, vorausgesetzt, man hat eine gute Soundanlage für die manchmal bombastische Musik und einen großen Bildschirm, mit dem die zahlreichen Nahaufnahmen von der Bühne und aus dem Orchestergraben erst richtig zur Geltung kommen. So wird „Das Wunder der Heliane“ zur kurzweiligen und spannenden Dokumentation dieser selten inszenierten Oper.

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Moritz Chelius