CD-Tipp

Unerwartete Hör-Erlebnisse: Die CD „Old Souls“ überrascht mit Bearbeitungen

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AUTOR/IN
Martin Hagen

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Bei Bearbeitungen bekannter Werke der Klassischen Musik scheiden sich die Geister. Manche lehnen sie völlig ab, andere wiederum sehen in ihnen eine Möglichkeit, vermeintlich vertrauten Stücken ganz neue Hör-Erfahrungen zu entlocken. Und solche unerwarteten Hör-Erlebnisse verspricht die neu erschienene CD mit dem Titel „Old Souls“, die Martin Hagen vorstellt.

Altbekanntes in neuem Gewand

Das Klavier ersetzt durch ein Streichquartett und eine Flöte als Solo-Instrument – und fertig ist ein Stück Musik, das gleichermaßen neu und doch altbekannt klingt! Wie zum Beispiel der Anfang der Sonate für Violine und Klavier Nr. 4 a-Moll, op. 23, von Ludwig van Beethoven. Auf der CD „Old Souls“ sind vier solcher Werke in neuem Klanggewand versammelt – ein nachschöpfender künstlerischer Akt also – aber auch ein wenig aus der Not geboren.

Denn das Repertoire für Flöte ist, im Vergleich zu anderen Solo-Instrumenten, doch sehr begrenzt. Und wenn man nicht immer dieselben Klassiker von Vivaldi, Debussy oder Poulenc spielen möchte und auch einmal keine Lust auf Zeitgenössisches hat, dann muss man sich etwas einfallen lassen. Und in diesem Fall hat sich „Frau“ etwas einfallen lassen, nämlich die Flöten-Virtuosin Gili Schwarzmann.

Bearbeitungen von Guy Braunstein

Praktischerweise ist sie mit dem Geiger Guy Braunstein verheiratet. Der war nicht nur lange Jahre erster Konzertmeister bei den Berliner Philharmonikern, sondern hat offenbar auch ein Händchen fürs Arrangieren. Und Guy Braunstein hat nun für seine Frau (und für die CD „Old Souls“) bekannte Werke, sozusagen von ‚Klassik bis Kreisler‘ so umgearbeitet, dass die Flöte im Zentrum steht. Dazu kommen noch drei musikalische Freunde: die amerikanische Cellistin Alisa Weilerstein, der Bratschist Amihai Grosz aus Jerusalem (er ist erster Solobratscher bei den Berliner Philharmonikern) und die Geigerin Susanna Yoko Henkel aus Freiburg. Und ab geht die fröhliche Partie!

Eine Flöte auf neuem Klang-Terrain

Vielleicht liegt es ja an alten Hörmustern und Prägungen, aber die Flöte in der „Italienischen Serenade“ von Hugo Wolf verstärkt ihren ländlichen Charakter ungemein, wie ich finde. Ein ‚Idylle-Plus‘ dank des alten Hirteninstruments! Aber die Flöte wird auf (der CD) „Old Souls“ nicht nur auf die alten Rollenklischees begrenzt, sondern darf auch ausgiebig neues Terrain erforschen. Das Ganze funktioniert auch und deswegen so gut, weil die Bearbeitungen von Guy Braunstein so hervorragend sind. Er schafft jederzeit klanglich eine Balance zwischen Solo-Instrument und Streicherensemble. Die Querflöte kann mühelos die Führung übernehmen und alles überstrahlen, wird aber genauso schnell wieder in den Ensemble-Klang integriert.

Höchstes spielerisches Niveau

Fast unnötig zu erwähnen, dass die beteiligten Musikerinnen und Musiker selbstverständlich in der Lage sind, all dies stets auf höchstem spielerischem Niveau umzusetzen. Alle gehen mit der nötigen Verve ans Werk, aber auch mit angenehmer Zurückhaltung was z.B. die Tempi der Stücke betrifft. Alles sehr kultiviert, aber auch nicht zu sehr!

Kammermusik mit Augenzwinkern

Der Spaß, den alle Beteiligten bei der Aufnahme gehabt haben müssen, blitzt nicht nur bei der „Synkopation“ von Fritz Kreisler durch, sondern überall auf der CD „Old Souls“. Dazu kommt noch eine brillante Aufnahmetechnik: obwohl die Werke an zwei unterschiedlichen Orten aufgenommen wurden (in einem Studio in Berlin und im Gemeindesaal der Erlöserkirche in Potsdam) klingt alles sehr homogen, und die Instrumente sind so fein gestaffelt, dass man glaubt, die Musikerinnen und Musiker sitzen vor einem im Zimmer!

Eine absolute Entdeckung also, was die musikalische und technische Qualität angeht, die neue CD „Old Souls“ von Flötistin Gili Schwarzman und Geiger Guy Braunstein und ihren musikalischen Freunden. Und beim letzten Werk auf ihrem neuen Album ist für mich die Flöte ab jetzt ein absolutes „Muss“: nie hat Antonín Dvořáks Amerikanisches Streichquartett ‚amerikanischer‘ geklungen als hier!

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Martin Hagen