Der Historiker Michael Lemster folgt in seinem Buch „Die Mozarts – Geschichte einer Familie“ den Spuren dieser faszinierenden Familie. Ihre 500-jährige Geschichte ist reich an Höhepunkten, Krisen und Rätseln. Dorothea Hußlein hat das Buch gelesen.
Mit Energie und Zielbewusstsein haben sich die „Mozarts“; wie sie sich seit dem 17. Jahrhundert nennen, den sozialen Aufstieg erarbeitet, bis sie mit Königen, Kaisern und Päpsten verkehren konnten. 1487 beginnt die Geschichte dieser faszinierenden Familie mit dem ersten bekannten Mozart, der in einem kleinen Dörfchen in bayrisch Schwaben in der Nähe von Augsburg lebte. Es war eine wenig edle Heimat, wie man schon aus dem Familiennamen ersehen kann: „Mot“ ist das mittelhochdeutsche Wort für schwarze Erde, Moder, Sumpf.
Über Generationen arbeitet sich die Familie an die bedeutende Reichsstadt heran. Bereits mitten im 30jährigen Krieg schafft es einer von ihnen, Stadtbürger zu werden. Chronologisch berichtet der Historiker Michael Lemster vom zähen Kampf um den sozialen Aufstieg, der für alle Mozarts wichtig war.
Von ihren Anfängen im 15. Jahrhundert bis zum Tod der letzten Nachfahrin im Jahr 1965 in Augsburg verfolgt Lemster in seinem Buch die Geschichte vom Aufstieg und Verlöschen der Mozarts auf 384 Seiten nach. Das Buch dokumentiert den Werdegang einer ambitionierten Familie, deren Geist in der Musik unsterblich wurde. Doch das rein kompositorische Schaffen der musizierenden Mozart Generationen spielt dabei nicht die Hauptrolle. Denn die Vorfahren waren Bauern und Handwerker, Baumeister, Architekten, Minoriten Priester und Johann Georg, der Vater Leopold Mozarts, war Buchbinder.
Im Mittelpunkt des Buches stehen die über das Künstlerdasein hinausgehende Lebensumstände von Leopold und dessen Sohn Wolfgang Amadeus. Michael Lemster zeichnet ihn vor allem als Manager der Firma Mozart, damals „Compagnie“ genannt:
Wichtig für den Musikbetrieb war das Reisen und so ist der Vorsatz des Buches mit einer Europa-Karte illustriert, auf der die vielen Touren der Mozarts eingezeichnet sind. In rumpeligen, unbequemen und zugigen Postkutschen ging es nach Berlin und Amsterdam im Norden, London im Westen, Neapel im Süden, Pressburg und Olmütz im Osten. All das unter für den heutigen Menschen kaum nachvollziehbaren Umständen. Das Leben von Leopold wie auch Wolfgang war absolut kein Triumphzug durch die Musikgeschichte. Alltagsprobleme, Geldsorgen, Hygiene und Krankheiten und die beschwerlichen Konzertreisen inklusive Radachsenbrüchen schildert Lemster anschaulich. So weilt ab Mitte September 1767 die Familie Mozart wieder in Wien und wartet dort vier Monate auf eine zweite Audienz bei Maria Theresia, die es diesmal aus verschiedenen Gründen gar nicht eilig hat. In dieser Zeit tobt in Wien eine Pockenepidemie und obwohl die Familie ins mährische Brünn flieht, erfasst die Krankheit Wolfgang Amadé.
In dieser ausführlichen Familiengeschichte stehen natürlich der Komponist, aber vor allem der Organisator des musikalischen Familienbetriebs Leopold und sein Sohn, das Wunderkind und Musikgenie Wolfgang Amadeus, im Mittelpunkt. Es geht zudem um die kulturellen Einflüsse der Zeit, wie Freimaurerei und Religion. Lemster schreibt manchmal etwas betulich, spekuliert und fügt viele eigene Erwägungen in die historischen Tatsachen ein, doch erzählt er die Familiengeschichte mit Gespür für das Zeitkolorit.
Besonders deutlich wird in Lemsters Mozartbuch, wie absolut die Macht von Adel und Klerus im Spätbarock und Rokoko das Leben der Untertanen bestimmte und wie gut die soziale Kontrolle funktionierte. Gerade in einer Zeit, in der viele Menschen die grundlegende Bedeutung von bürgerlicher Freiheit für das Leben und die Kunst vergessen haben, ist das Buch wirklich lesenswert, insbesondere wenn man weiß, dass die Musikgeschichte nicht von der allgemeinen Kulturgeschichte zu trennen ist.
Musikstunde Leopold Mozart – Ein Mann mit vielen Talenten (1-5)
Leopold Mozart scheint in unserer Wahrnehmung immer im Schatten seines berühmten Sohnes Wolfgang zu stehen. Dabei war der gebürtige Augsburger ein Selfmade-Man im besten Sinne des Wortes. Als Komponist wie als Verfasser seiner Violinschule schätzten ihn seine Zeitgenossen, als Sympathisant der Aufklärung war er mit den Gedankenströmungen seiner Zeit bestens vertraut. Zwischen alten Adelsstrukturen und aufkeimendem Bürgertum spielte sich sein Leben ab - und das seines Sohnes. (SWR 2019)