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Teilerfolg für Moses Pelham im Sampling-Rechtstreit gegen Kraftwerk

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Lydia Huckebrink

Seit über 20 Jahren streiten sich der Musikproduzent Moses Pelham und die Band Kraftwerk vor Gericht um ein zweisekündiges Musikschnipsel. Jetzt hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein Teilurteil gefällt und den Fall an das Oberlandesgericht Hamburg zurückverwiesen. Der Grundsatzstreit zwischen Urherberrecht und Kunstfreiheit hat weitreichende Folgen für die Musikkultur.

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat festgestellt, dass Moses Pelham die zweisekündige Schlagzeugsequenz von Kraftwerk in seinem 1997 erschienenen Song „Nur mir“ verwenden durfte, aber nur bis zum Jahr 2002. Dann trat eine EU-Richtlinie in Kraft, die eine solche Nutzung unterband. Alle weiteren offenen offenen Fragen soll nun das Oberlandesgericht Hamburg klären.

Worum gings nochmal?

1998 warf die deutsche Kultband Kraftwerk dem Hip-Hop-Produzenten Moses Pelham vor, dass er sie für seinen Song „Nur mir“ bestohlen habe. Pelham produzierte den Song damals für Sabrina Setlur.

Tatsächlich verwendete Moses Pelham für „Nur mir“ eine kurze Schlagzeugsequenz aus Kraftwerks Song „Metall auf Metall“ von 1977, das er in seinen neuen Song eingebaute und fortlaufend wiederholte.


Kraftwerk sah sich durch das Sample in ihren Urheberrechten verletzt, schließlich sei der Soundschnipsel das geistige Eigentum der Band.

Doch das sogenannte Sampling ist eine Technik, die im Hip-Hop oder der elektronischen Musik ein wesentlicher musikalischer Bestandteil ist. Musiker*innen verwenden originale Ton- oder Musikaufnahmen, um sie im eigenen Werk zu zitieren, zu verfremden oder neu zu interpretieren.

Moses Pelham findet daher, dass das Sampling eine Kunstform ist, die von der Kunstfreiheit geschützt ist. Kunst könne sich nicht weiterentwickeln, wenn sie sich nicht auf bereits bestehende Kunst beziehen dürfe, sagte Andreas Walter, Rechtsanwalt von Moses Pelham gegenüber SWR2.

Urheberrecht vs. Kunstfreiheit

Der Prozess ist richtungsweisend für die Frage, ob und ab wann Sampling von der Kunstfreiheit geschützt ist oder ob das Recht auf geistiges Eigentum diese Technik verbietet und geht seit 1998 durch alle Instanzen.

Bereits 2016 entschied das Bundesverfassungsgericht zugunsten der Kunstfreiheit. 2019 bestätigte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Sampling grundsätzlich erlaubt ist – aber bestimmte Bedingungen erfüllen muss: Der Musikschnipsel muss in geänderter Form in das neue Stück eingefügt werden und darf nicht wiedererkennbar sein.

Nun muss die deutsche Justiz entscheiden, ob Moses Pelham die Kriterien des EuGH erfüllt hat und die Musiksequenz in dieser Form verwenden durfte.

Weitreichende Folgen für die Musikwelt

Mit der bereits 2019 getroffenen Entscheidung, wann ein Musiksample Kunst ist und wann eine unzulässige Kopie des Originals, hatte der EuGH ein Grundsatzurteil mit weitreichenden Folgen für die Musikwelt gefällt. Der Musikproduzent Lutz Fahrenkrog-Petersen kritisierte in SWR2 die Entscheidung.

Statt Musikschnipsel zu übernehmen, sollten sich Produzent*innen damit begnügen, Elemente mit eigenen Instrumenten nachzuspielen. „Niemand kann einfach etwas von mir verwenden, ohne mich zu fragen.“

Remixer*innen und DJs können aufatmen

Doch viele Produzent*innen und DJs werden über das grundsätzliche Urteil zugunsten des Samplings erleichtert gewesen sein, denn die Technik ist ein prägendes Stilmittel der heutigen Musikkultur.

Hip-Hoper wie Grandmaster Flash zum Beispiel, ein Urgestein des DJing, hätten das Cutten und Sampeln auf den Plattentellern perfektioniert, sagt SWR2 Popexperte Udo Dahmen: „Das ist eine Kunst“.

Auch der kürzlich verstorbene DJ und Produzent Andrew Weatherall war als Remixer legendär. Er habe für eine neue Generation von Künstler*innen gestanden, die mit Material anderer Musiker*innen arbeiten und auf neue Art zusammen stellten.

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