Kulturpolitik

Castingshow satt Musikunterricht? Italiens neue Regierung will Pop statt Klassik fördern

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AUTOR/IN
Thomas Migge

Die rechte Regierung in Italien will auch musikalisch einiges verändern, das Kulturministerium will die so genannte „leichte Musik“ fördern. Anstatt in dem Land der Oper die schlecht geförderte Klassikszene zu unterstützen, will man nun in Pop und Rock investieren. Morgan alias Marco Castoldi heißt der neue italienische Beauftragte für Musik: Popsänger, Musiker, TV-Star in Talent-Shows und auch wegen seiner hochtoupierten Haartolle und seines Temperaments bekannt.

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Ministeriale Sonderabteilung für den Freund des Staatssekretärs

Zum „Chef-Stimulierer“ ernannt wurde Morgan vom Kunsthistoriker Vittorio Sgarbi, dem neuen Staatssekretär im italienischen Kulturministerium. Sgarbi ist eine ziemlich umstrittene Person, die bei Fernsehauftritten Andersdenkende scharf attackiert.

Morgan hingegen ist Popsänger, Musiker, TV-Star in Talent-Shows und auch wegen seiner hochtoupierten Haartolle und seines Gebrauchs von Drogen bekannt. Morgan soll die Musikkultur Italiens anregen, erklärte Sgarbi, der für seinen Freund ein ministeriale Sonderabteilung für Musik schaffen will.

Kulturministerium soll Pop-Festival San Remo und TV-Talent-Shows fördern

Sgarbi und Morgan geht es anscheinend um eine ganz bestimmte Musikszene, die es, so ihre Worte, aufzuwerten gelte. Der Kunsthistoriker will mit Hilfe des Popstars die gesamte Szene der „leichten“ Musik, „revolutionieren“. Dieser Musiksektor müsse Morgan zufolge reformiert werden: junge Menschen sollten leichteren Zugang zu Musikproduktionen haben, und das Pop-Musik-Festival von San Remo und TV-Talent-Shows wie X-Factor müssten verstärkt zu Themen des Kulturministeriums gemacht werden. 

Kritik aus der Klassik-Welt: Lieber Musikunterricht verbessern

Aber hat Italiens „leichte“ Musik-Szene, gefördert und gesponsert durch große Medienhäuser und großen Unternehmen, wirklich Hilfe aus dem Kulturministerium nötig? Vor allem die Klassik-Szene sagt „No!“ Das Kulturministerium solle lieber die mangelhafte Musikförderung an staatlichen Bildungseinrichtungen verbessern anstatt sich der Pop-Szene anzubiedern. Italien brauche mehr Symphonieorchester, sagt auch Stardirigent Riccardo Muti.

Riccardo Muti (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/Hans Punz/APA/dpa -)
Riccardo Muti

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Muti und viele Kulturschaffende fordern von der neuen Regierung vor allem mehr Initiativen und Investitionen in den Musikunterricht. Für den Popsänger Morgan als Leiter einer Musik-Sektion des Kulturministeriums haben sie deshalb nur wenig Verständnis.

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