Aufgekratzte Stimmung im Stockholmer Jazzclub „Fasching“
Als das Foursight-Quartett einen Klassiker von und mit Ron Carter anstimmt, geht das Publikum im Stockholmer Jazzclub „Fasching“ sofort mit – die Stimmung ist hörbar aufgekratzt. Renee Rosnes am Klavier, Jimmy Greene mit seinem Tenor-Saxofon und Payton Crossley am Schlagzeug sind perfekt auf den Altmeister am Kontrabass eingespielt.
Altmeister Ron Carter in Topform
Ron Carter ist wie eh und je in Topform. Er fordert sein Quartett heraus, treibt es mit seinem energetischen Spiel geradezu an und hält ein Füllhorn an Ideen bereit. Eine Möglichkeit hervorragende Musik zu machen, sei die Techniken der Bildenden Kunst zu übernehmen, erzählt Carter. Man müsse sein Handwerk wie ein Maler beherrschen, der sein Bild mit feinem Pinselstrich gestaltet.
Erst kam das Cello, dann der Kontrabass
Geboren wurde das Urgestein im Mai 1937 im US-Staat Michigan. Carters Vater war Busfahrer, die Mutter Wäscherin und er hatte sieben Geschwister. Doch Bildung schrieb man in der Familie groß. Als in der Schule ein verwaistes Cello angeboten wird, nimmt Ron es sofort in Beschlag. „Du darfst es mit nach Hause nehmen, wenn du Unterricht nimmst", sagten ihm die Eltern, die sich sehr freuten, denn die Schule bezahlte den Cello-Lehrer.
„Als ich dann 1954 an die High School wechselte, hatten die in ihrem Orchester gerade keinen Kontrabassisten. Ich stellte also mein Cello in die Ecke, nahm einige Stunden und war der neue Bassist."
Frühe Begegnung mit Miles Davis, Herbie Hancock und Wayne Shorter
Nach der High School konnte Ron Carter Kontrabass studieren und etablierte sich Anfang der 1960er Jahre in der Szene. Er musste keine Karriereleiter hoch klettern, sondern stieg gleich auf dem höchsten Niveau ein. Miles Davis, Herbie Hancock, Wayne Shorter – die Liste seiner Partner liest sich wie ein eigenes Jazz-Lexikon. Bei nachweislich mehr als 2.200 Schallplatten- und CD-Produktionen wirkte der Kontrabassist mit.
„Eine Sache, die mir bereits mein Vater beibrachte, ist: Wenn du einmal einen gewissen Level erreicht hast, musst du ihn auch halten. Jede Aufnahme und jedes Konzert muss einfach etwas Magisches haben."
Ein faszinierender Ron Carter und sein singender Kontrabass
Bis heute hat der betagte Künstler kaum etwas von seiner Faszination eingebüßt. Sein Kontrabass singt und im Quartett ist Carter keineswegs der vierte Mann im Hintergrund. Die Live-Aufnahme aus dem Jazzclub „Fasching" in Stockholm bestärkt zudem in Corona-Zeiten das Gefühl: da war doch was!