Jazz

Klangabenteuer: Der Pianist Rainer Böhm und sein neues Album „What If"

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AUTOR/IN
Georg Waßmuth

Der 1977 in Ravensburg geborene Jazzpianist, Komponist und Arrangeur Rainer Böhm ist ein musikalischer Freigeist, der das Klangabenteuer liebt. Neben seiner Tätigkeit als Professor für Jazzpiano und Ensembleleitung an den Musikhochschulen in Mannheim und Nürnberg ist er ein gern gesehener Gast auf Jazzfestivals. Immer wieder tourt er mit den unterschiedlichsten Formationen.

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Neues Album mit Rainer Böhms „Traumband“

Vor seiner neuesten Produktion hat der Jazz-Pianist Rainer Böhm erst einmal sein dickes Adressbuch durchblättert, um einige Künstler zu aktiveren, mit denen er in den letzten Jahren auf Augenhöhe musizieren konnte.

„Es ist definitiv eine Traumband für mich. Man ist auf allen musikalischen Ebenen stets gefordert und erhält von den anderen Musikern so viel Inspiration, aus der man schöpfen kann.“

Fünf Namen kristallisierten sich für das Projekt heraus: Jonas Burgwinkel bedient feinmotorisch das Schlagzeug, die Bläserfraktion ist mit dem britischen Trompeter Percy Pursglove und den beiden Saxofonisten Domenic Landolf sowie Wanja Slavin am Start, während Arne Huber sich mit seinem Kontrabass immer wieder selbstbewusst ins Spiel bringt. Rainer Böhm musste eigentlich nur noch die Themen seiner Stücke vorgeben.

Das Rainer Böhm Sextett beim Jazzfest Berlin 2021:

Ein Ensemble wie ein Organismus

„Es fühlt sich für mich eher so an, als wäre das Ensemble ein Organismus“, sagt Böhm im Gespräch, „vielleicht vergleichbar mit einem Oktopus, daher übrigens auch der Songtitel auf dem Album.“

Die Arme von Oktopoden, so Rainer Böhm weiter, seien jeweils mit einem eigenen Nervensystem ausgestattet und könnten sich daher auch völlig unabhängig voneinander bewegen. Diesen Impuls sehe er auch in seinem Ensemble: „Wenn einer aus der Band eine starke Idee entwickelt, taucht, um mal in der Metapher zu bleiben, der Arm aus dem Wasser auf und nimmt sich einfach den Raum.“

Die Musik von Rainer Böhm braucht Zeit, um sich zu entfalten. Dann jedoch entwickelt sie einen unwiderstehlichen Sog. Die Themen sind überaus tragfähig komponiert und bieten ein ideales Tableau für das hervorragende Sextett.

„What If", der Titeltrack des neuen Albums:

Rainer Böhm hat sich von allen Stilrichtungen emanzipiert

Die größte Herausforderung sei das Stück „Polizei“ gewesen. Die Komposition sei rhythmisch relativ komplex, erklärt Böhm: „Mir macht es aber unglaublich viel Spaß, auf dieser Ebene gefordert zu sein und diesbezüglich neue Wege kennen zu lernen und auch zu gehen.“

Böhm ist ein Freigeist im besten Sinn, der wie ein bildender Künstler den Jazz nur noch als Rahmen für seine Klangbilder nutzt. Was wir hören, ist ein Ensemble auf höchstem Niveau. Nur hier und da gibt es einen zarten Hinweis, um die Musik etwas mehr zu verorten.

„The Wooden Box" erzeugt Klangbilder, die an Messiaen erinnern

„Bei „The Wooden Box“ liegt der Hauptfokus eher auf der Harmonik. Hier bewegen wir uns insbesondere in der harmonischen Welt des Komponisten Olivier Messiaen, die ich liebe, und tauchen diese Klangwelt in unterschiedliche Farben ein.“

Wie ein Fragezeichen hängt das „Was wäre wenn“ des Titels im Raum

Mit seinem Ensemble bleibt der Pianist aber keine Antwort schuldig. Während man im Alltag oft Entscheidungen überdenkt, verwirft oder hinauszögert, ist diese Produktion eine klare Ansage.

„Gerade in der Improvisation hat man ja gar nicht die Zeit, lange nachzudenken, und sollte zumindest während des Improvisierens das bereits Gespielte nicht zu kritisch hinterfragen.“

Jazz Duett zweier Könner: Bill Laurance & Michael League mit „Where You Wish You Were“

Das US-amerikanische Musiker-Kollektiv „Snarky Puppy“ spielt schon lange in der ersten Liga. Gegründet hat das Ensemble der Bassist Michael League, von Anfang an mit dabei ist auch der Komponist und Pianist Bill Laurance.Dass die beiden auch im kammermusikalischen Kontext überzeugen können , beweisen sie mit ihrem Album „Where You Wish You Were“. Kein kraftstrotzender Breitwand-Sound, kein großes Ensemble, sondern, einfühlsame Duette zweier Könner, meint SWR2 Musikkritiker Georg Waßmuth.

SWR2 Journal am Mittag SWR2

Jazz Literarisch inspiriertes Live-Album von Trompeter Frederik Köster: Stufen

„Stufen" ist eine Art Hommage des Trompeters Frederik Köster an Hermann Hesse - denn dieser inspirierte ihn in einer Phase der Neuorientierung. Gemeinsam mit seinem Ensemble „Die Verwandlung" hat Köster beim Label Traumton Records ein gelungenes Album veröffentlicht, dessen großer Reiz in dem Spannungsbogen zwischen lyrischer Vertonung und wildem Parforceritt liegt.

SWR2 Journal am Mittag SWR2

Jazz Modern Jazz und afrikanische Rhythmen - „We're Not In Kansas Anymore“ von Kansas Smitty's

Die musikalischen Wurzeln der Band um den Altsaxophonisten und Klarinettisten Giacomo Smith sind Jazz und Blues des 20. Jahrhunderts. Eine swingende Gute-Laune-Band, die zu Beginn ihrer Karriere in London meist in ihrer eigenen „Kansas Smitty’s“- Kellerkneipe anzutreffen war.
Inzwischen hat sich die Band um den italo-amerikanischen Musiker davon emanzipiert, wie auch der Titel ihrer neuen CD: „We’re Not in Kansas Anymore“ andeutet. Nach dem Motto „was interessiert mich meine Musik von gestern“ gehen Kansas Smitty’s neue Wege: In ihrem fünften Studioalbum, das auf dem Online-Musikdienst „Bandcamp“ veröffentlicht wurde, greifen sie Elemente des Modern Jazz und afrikanischen Rhythmen auf. Feine Ensemblemusik mit köstlichen Zutaten, schwärmt unser Jazzkritiker Georg Waßmuth.

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