Joachim-Ernst Berendt 1972 (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Jazz

Yeah Man! Zum 100. Geburtstag von „Jazz-Papst“ Joachim-Ernst Berendt

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AUTOR/IN
Günther Huesmann

Joachim-Ernst Berendt hat Generationen von Menschen dazu bewegt, Jazz zu hören und Jazz zu lieben, auch SWR2 Jazzredakteur Günther Huesmann. Berendt war Radiomann, Buchautor, Festivalmacher, Konzertveranstalter, Platten- und Fernsehproduzent in einer Person, kurz: der einflussreichste Fürsprecher und Vermittler des Jazz im Nachkriegs-Deutschland. Am 20. Juli 2022 wäre Joachim-Ernst Berendt 100 Jahre alt geworden.

Joachim-Ernst Berendt initiierte und leitete auch zahlreiche Konzertreihen und Festivals, unter anderem die "Jazztime" und das "New Jazz Meeting Baden-Baden" sowie ab 1964 die Berliner Jazztage, das spätere Jazzfest Berlin.  (Foto: SWR, Archivbild)
Kein anderer hat in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges so viel für den Jazz getan wie der Buchautor, Jazzredakteur und -produzent Joachim-Ernst Berendt. Er zählte zu den Mitbegründern des Südwestfunks und schrieb unter anderen das weltweit meistgelesene Buch über Jazz: "Das Jazzbuch". Bild in Detailansicht öffnen
Joachim-Ernst Berendt, am 20. Juli 2022 wäre er 100 Jahre alt geworden (Foto: SWR, SWR -)
Joachim-Ernst Berendt initiierte und leitete auch zahlreiche Konzertreihen und Festivals, unter anderem die "Jazztime" und das "New Jazz Meeting Baden-Baden" sowie ab 1964 die Berliner Jazztage, das spätere Jazzfest Berlin. Außerdem war er Produzent unzähliger Jazz-Schallplatten, vor allem für das im Schwarzwald beheimatete Label "MPS". Bild in Detailansicht öffnen
Joachim-Ernst Berendt, Jazz-Redakteur beim Südwestfunk, in den 60er Jahren (Foto: SWR)
Seine eindringliche Stimme haben seine Hörer heute noch im Ohr. Von 1950 bis 1987 leitete er die Jazzredaktion des Südwestfunks Baden-Baden. In dieser Zeit produzierte er mehrere Tausend Jazzsendungen. Berendts Ruf als "Jazzpapst" strahlte weit über das Sendegebiet hinaus. Bild in Detailansicht öffnen
"Jazzpapst" Joachim-Ernst Berendt - 20. Juli 2022 wäre er 100 Jahre alt geworden (Foto: SWR, Archiv)
Mit Jazz Meets The World" engagierte sich Joachim-Ernst Berendt für die Begegnung des Jazz mit unterschiedlichen Facetten der Weltmusik. Mit seiner späteren Hinwendung zu spirituellen Themen verprellte er viele Jazz-Fans, fand aber ein neues großes Publikum jenseits der Jazz-Szene. Bild in Detailansicht öffnen
1966 gründete Joachim-Ernst Berendt (Mitte) das SWR NEWJazz Meeting. Hier beim SWR NEWJazz Meeting 1986 im Gespräch mit (v.l.n.r.) Karl Berger, Joachim Kühn, J. F. Jenny-Clark und Heinz Sauer. (Foto: SWR, Foto: Klaus Mümpfer)
1966 gründete Joachim-Ernst Berendt (Mitte) das SWR NEWJazz Meeting. Hier beim SWR NEWJazz Meeting 1986 im Gespräch mit (v.l.n.r.) Karl Berger, Joachim Kühn, J. F. Jenny-Clark und Heinz Sauer. Bild in Detailansicht öffnen
Joachim-Ernst Berendt 1972 (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Joachim-Ernst Berendt 1972 Bild in Detailansicht öffnen
Der weltweit renommierte und vielfach ausgezeichnete Jazzexperte Joachim Ernst Berendt (Foto: SWR, SWR -)
Die Anfang der 80er Jahre ausgestrahlte Sendereihe "Nada Brahma. Die Welt ist Klang" erzielte eine rekordverdächtige Publikumsresonanz. Im Anschluss an die Radiosendung gab Joachim-Ernst Berendt die ebenso erfolgreichen Bücher "Nada Brahma − die Welt ist Klang" und "Das dritte Ohr. Vom Hören der Welt" heraus. Bild in Detailansicht öffnen

„Sie müssen den Hörer anmachen!“

Voller Begeisterung hatte ich als 17-Jähriger sein „Jazzbuch“ gelesen, und als ich 1980 ein Praktikum in seiner SWF-Redaktion in Baden-Baden machte, holte er mich zum Abschluss in sein Büro. „Herr Huesmann“, sagte er, „was ich Ihnen jetzt sage, mag vielleicht zynisch klingen. Aber es ist wichtig: Sie können schreiben, was Sie wollen, aber eines muss es haben: Stil muss haben.“ Er gab mir Tipps und schloss mit den Worten: „Herr Huesmann. Sie müssen den Hörer anmachen!“

SWR2 Jazzredakteur Guenther Huesmann (Foto: SWR)
SWR Jazzredakteur Guenther Huesmann machte 1980 ein Praktikum in der SWF Jazzredaktion bei Joachim-Ernst Berendt.

Wie kein anderer das Bild vom Jazz in Nachkriegsdeutschland geprägt

Den Hörer „anmachen“ – Berendt konnte das. Intim, sanft, raunend. Berendts Stimme, das war der Sound des Verführers und Verkünders. „Hallo, liebe Jazzfreunde“, so begann er seine Sendungen. Es war, als würde ein Vertrauter zu einem sprechen. Wie kein anderer hat Joachim-Ernst Berendt im Nachkriegsdeutschland das Bild vom Jazz geprägt. Über vierzig Jahre hinweg war er die führende Stimme, die einem wachsenden Publikum erklärte, was Jazz ist, was diese Musik bedeutet und welchen Stellenwert sie in der Kunst hat.

Jazz war für Berendt der Sound von Freiheit, Individualität und Toleranz

Jazz war für den 1922 in Berlin geborenen Berendt kein Sound, der unterhaltsam im Hintergrund plätschert. Jazz war für ihn politische Musik.  Seismograf und Katalysator für gesellschaftliche Entwicklungen. Eine Musik, die wie keine andere steht für Freiheit, Individualität, Toleranz, für kulturellen Austausch und demokratische Werte.

Die Gräuel der Nazi-Zeit prägten Berendts Blick auf den Jazz

1966 gründete Joachim-Ernst Berendt (Mitte) das SWR NEWJazz Meeting. Hier beim SWR NEWJazz Meeting 1986 im Gespräch mit (v.l.n.r.) Karl Berger, Joachim Kühn, J. F. Jenny-Clark und Heinz Sauer. (Foto: SWR, Foto: Klaus Mümpfer)
1966 gründete Joachim-Ernst Berendt (Mitte) das SWR NEWJazz Meeting. Hier beim SWR NEWJazz Meeting 1986 im Gespräch mit (v.l.n.r.) Karl Berger, Joachim Kühn, J. F. Jenny-Clark und Heinz Sauer.

Das hatte mit seinen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg zu tun. Die Gräuel der Nazi-Zeit, in der Jazz geächtet und unterdrückt wurde, hatten sich tief in seine Biografie eingeschrieben. „Ich wuchs ja in dieser Familie des Widerstandes auf.“ erzählte er. „Mein Vater war Pfarrer, einer der wichtigen Leute der Bekennenden Kirche, des Widerstandes der evangelischen Kirche.  Er ist im Konzentrationslager Dachau getötet worden. Und von dort ging es dann tief in den Jazz hinein, gleich von 1945 an, sofort nach dem Krieg.“

Über 10.000 Jazzsendungen für den Südwestfunk moderiert

Joachim-Ernst Berendt, Jazz-Redakteur beim Südwestfunk, in den 60er Jahren (Foto: SWR)
Joachim-Ernst Berendt in den 60er Jahren im Südwestfunk-Studio

Über 10.000 Jazzsendungen hat Berendt für den Südwestfunk moderiert, zu dessen ersten Mitarbeitern er gehörte. Legendäre Sendereihen sind so entstanden, die „Jazztime Baden-Baden“, die „SWF-Jazz-Session“, seine wegweisende Reihe „Jazz & Lyrik“. Aber der Anfang war schwer: „Ich weiß noch, wie ich 1946 meine ersten Jazzsendungen gemacht habe. Gleich am ersten Sendetag habe ich eine gemacht, da kamen Briefe. Ich sollte vorsichtig sein, wenn ich nachts nach Hause ginge, sonst würden mir ein paar gute deutsche Männerfäuste den rechten Rhythmus, wohlgemerkt, den rechten, beibringen“.

Als Musikvermittler war Berendt ein Besessener

Die Radioarbeit allein genügte Berndt nicht. Sein „Jazzbuch“ ist mit einer Auflage von über einer Million war das meistverkaufte Musikbuch der Welt. Aber auch als Konzertveranstalter und Festivalmacher trieb er die Entwicklung voran.  Berendt initiierte und leitete die Berliner Jazztage, das heutige Jazzfest Berlin. Er sorgte auch dafür, dass der Jazz einen regelmäßigen Platz bei den Donaueschinger Musiktagen bekam. Auch das Klanglabor „New Jazz Meeting Baden-Baden“ ist eine Erfindung von Joachim-Ernst Berendt.

1966 Joachim-Ernst Berendt gegründet: Das SWR NEWJazz Meeting

John Coltrane und Thelonious Monk ins Fernsehstudio nach Baden-Baden geholt


Seine Fernsehreihe „Jazz gehört und gesehen“, in der John Coltrane und Thelonious Monk auftraten, lief drei Jahrzehnte lang zur besten Sendezeit in der ARD. Berendt produzierte über 130 Schallplatten, organisierte für das Goethe-Institut Tourneen, die deutsche Jazzmusiker durch Asien und Südamerika führten. Er rief den SWR-Jazzpreis ins Leben, die älteste Jazzauszeichnung im deutschsprachigen Raum.

Vom Jazz zu Weltmusik und Spiritualität

Später wandte sich der „Jazzpapst“, wie er von manchen gerne genannt wurde, esoterischen Fragen zu, widmete sich dem Spirituellen und wurde zu einem glühenden Werber für ein bewussteres, tieferes Hören.

Die Anfang der 80er Jahre ausgestrahlte Sendereihe "Nada Brahma. Die Welt ist Klang" erzielte eine rekordverdächtige Publikumsresonanz. Im Anschluss an die Radiosendung gab Joachim-Ernst Berendt die ebenso erfolgreichen Bücher "Nada Brahma − die Welt ist Klang" und "Das dritte Ohr. Vom Hören der Welt" heraus.

Woher nahm er nur diese Kraft, diese Energie? Berendt vermutete: Es lag auch an der Musik, die er jahrzehntelang im SWF-Radio (SWR) leidenschaftlich vermittelt hat: „Jazz ist Intensität“.

Die SWR Jazzpreisträger

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Günther Huesmann