Iggy Pop (Foto: IMAGO, imago/Starface)

Rock

„Godfather of Punk“: Iggy Pop wird 75

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Samira Straub

„Sex, Drugs and Rock'n'Roll“: Müsste man für diesen alten Grundsatz ein Bild im Lexikon abdrucken, es wäre wohl das von einem oberkörperfreien Iggy Pop. Am 21.4.22 feiert der Godfather of Punk seinen 75. Geburtstag.

Iggy Pop schneidet eine Grimasse (Foto: IMAGO, imago stock&people)
Ausdrucksstark und exzentrisch: Am 22. April wird Iggy Pop, der gebürtig James Osterberg heißt, 75 Jahre alt.

Die Musik dröhnt, Scheinwerfer blenden grell und unter anfeuernden Rufen des frenetischen Publikums setzt ein Rockstar an zum Bad in der Menge: Ein beherzter Sprung über die Bühnenkante und zahllose Hände tragen einen verschwitzten Körper über ihre Köpfe hinweg – Stagediving, alte Schule des Rock'n'Roll. Als Iggy Pop damals bei den ersten Konzerten mit den Stooges zum Stagedive ansetzte, fing ihn jedoch niemand auf. Er landete auf dem Boden, stand wieder auf, und: sprang erneut. Ein frühes Sinnbild einer Karriere.

Kaputt und destruktiv: Iggy Pop wird zur Mittelpunktsfigur

Die exaltierte Bühnenfigur Iggy Pop wälzt sich auf der Bühne in Glasscherben, zerlegt die Instrumente oder bewirft auch mal eine Zuschauerin mit einer Wassermelone. Destruktivität, Provokation und eine große Portion Nihilismus gehören auf den Konzerten von „Iggy and the Stooges“ Anfang der 70er Jahre zu den zentralen Ausdrucksmerkmalen. Stets im Mittelpunkt steht dabei der ausnahmslos oberkörperfreie Frontmann Iggy Pop, energiegeladen und exzentrisch. Das Publikum frisst ihm aus der Hand, selbst wenn er es beleidigt.

James Osterberg träumte von einer Karriere als US-Präsident

Doch lange Zeit sieht es nicht danach aus, dass James Osterberg zu einer kuriosen Rocklegende werden soll. Er wächst behütet in Michigan auf, wird von seinen Lehrer*innen als eloquent und besonders charmant geschätzt und man prognostiziert ihm eine bürgerliche Karriere als Anwalt oder Politiker. Osterberg selbst träumt von einer Präsidentschaftskandidatur, verwirft diese Pläne jedoch schon als Teenager, als er einen Kingsmen-Song im Radio hört.

Das war böse und sexy, und vor allem war es wundervoll. Eine normale Karriere kam nicht mehr in Frage. Ich hatte auf einmal die Kraft, mich in ein großes Abenteuer zu stürzen.

Die Stooges gelten als Begründer des Punk

Seine erste Band, die „Iguanas“ waren schließlich der Namensgeber für sein späteres Alter Ego, die Bühnenfigur Iggy Pop. Als er 1967 auf die Gebrüder Scott und Ron Asheton trifft, gründen sie gemeinsam mit Dave Alexander „The Psychedelic Stooges“, die sich später nur noch „Stooges“ nennen und mit ihren nur drei Alben einen besonders rohen Sound erschaffen, der noch heute als Vorgefühl des Punk umschrieben wird.

Iggy Pop (Foto: IMAGO, imago images/Gonzales Photo)
In einem Shirt oder mit Blazer sieht man Iggy Pop vielleicht auf roten Teppichen, aber niemals auf der Bühne.

Die Stooges reduzieren die ausschweifende Rockmusik der damaligen Zeit auf das Elementare, sie wirken brachial, stumpf und gleichermaßen primitiv wie frech. Iggy und seine Band sind auf Konfrontation aus: Das gilt für die Musik genauso wie für Stooges-Konzerte.

Noch bevor das Genre Punk seinen Namen hat, wird Iggy Pop zu seinem Paten und die Stooges werden zur ablehnenden Antwort auf blumiges Hippietum und seichte Klänge Ende der 60er Jahre. Doch Iggy und seine Stooges bleiben ein Phänomen der Minderheit, denn in der breiten Masse finden die extremen Performances kaum Anklang.

Mit seinem Mut und seiner Energie hat Iggy Pop den Weg für Punk-Größen wie die Sex Pistols und die Ramones geebnet.

David Bowie erweist sich als Retter

Als Iggy Pop bei einem Doors-Konzert Ende der 60er an der Universität Jim Morrison auf der Bühne sieht, ist er gefesselt vom Auftreten des Sängers. Pop imitiert seine Bewegungen, seine Interaktionen mit dem Publikum und treibt die Frontmann-Attitüde von Jim Morrison im Laufe der kommenden Jahre auf die Spitze.

Leider ist es auch die Selbstzerstörung, die sich Iggy Pop von seinem Idol abschaut: Drogen und Selbstverletzung bringen Iggy Pop schon früh an den Rand des Abgrunds. Die Stooges zerstreiten und trennen sich und Iggy Pop droht an seinen Exzessen zu zerbrechen.

Iggy Pop (Foto: IMAGO, imago/LFI)
David Bowie war schon früh ein Mentor für Iggy Pop: Die beiden verband eine innige Freundschaft.

1976 ist es ausgerechnet David Bowie, der Iggy Pop von der schiefen Bahn zurückholt. Die beiden ziehen gemeinsam nach West-Berlin um dort gemeinsam Drogen und Alkohol hinter sich zu lassen. Der damals deutlich populärere Bowie verhilft dem angeschlagenen Pop zu einem Plattenvertrag, fördert ihn und ist schließlich maßgeblich an den Erfolgsplatten „The Idiot“ und „Lust for Life“ beteiligt.

Und der Einfluss Bowies ist auch hörbar: Iggy Pop zeigt sich musikalisch von einer neuen, melodiösen Seite, die durchaus an den New-Wave-Sound Bowies erinnert. Mit „The Passenger“ feiert Iggy Pop einen Hit, der bis heute als zeitloser Klassiker gilt.

James Osterberg und Iggy Pop sind zwei verschiedene Menschen

In den folgenden Jahren versucht Iggy Pop immer wieder vergeblich an die großen Erfolge anzuknüpfen. Als er sich 1993 in seinem gleichnamigen Album zum amerikanischen Cäsar erklärt, sorgt das zwar für Schlagzeilen, aber nicht unbedingt für Lobeshymnen auf seinen musikalischen Output. Iggy Pop kämpft über Jahre hinweg mit den Drogen, seiner angeschlagenen Psyche und seinem ungebrochenen Ehrgeiz.

Was immer Iggy anstellt, soll vor allem unterhalten. Unterhaltung ist Iggy Pops einzige Existenzberechtigung. 

Immer wieder betont er, die Leute mögen doch davon absehen, die Privatperson James Osterberg mit der Kunstfigur Iggy Pop gleichzusetzen: Iggy Pop sei nämlich unerträglich. Dabei täte man Osterberg auch Unrecht, wenn man ihn nur auf seine kaputte Bühnenpräsenz reduziert: Iggy Pop schauspielert, spricht Rollen in Hörspielen und komponiert Titelsongs für Filme. 

Und 2016 gelang ihm mit „Post-Pop-Depression“, einer gemeinsam mit „Queens of the Stoneage“-Frontmann Josh Homme aufgenommenen CD, doch nochmal ein großer Erfolg. Darin enthalten ist alles, was der geneigte Iggy Pop-Fan schätzt: Selbstbeweihräucherung, Theatralik und auch die Berliner Zeit mit Bowie.

Ein Symbol für das wilde Leben

In einem Interview sagte James Osterberg einmal, dass die Iggy Pops dieser Welt nicht besonders alt würden. Die Kunst des Lebens bestünde für ihn darin, zu wissen, wann er den Iggy in sich abstellen müsse. Offenbar ist dem Mann, der sich bis heute auf der Bühne jeglicher Oberbekleidung verwehrt, entgegen aller Erwartungen in den 70ern, genau dieser Spagat gelungen.

Der ausgemergelte, sehnige Oberkörper, dem man die Spuren seines bewegten Lebens durchaus ansieht, wurde zu Iggy Pops Markenzeichen. Er selbst wurde zum Symbol für das wilde Leben, zur Ikone des Rock'n'Roll und zum Godfather des Punk.

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Samira Straub