Albumkritik

Eine erlösende und düstere Atmosphäre: Das neue Album von PJ Harvey

Stand
AUTOR/IN
Giordana Marsilio
Giordana Marsilio (Foto: Giordana Marsilio, Autorin und Redakteurin, SWR Kultur)

Mystisch, kryptisch und poetisch ist das zehnte Album der britischen Musikerin PJ Harvey „I Inside the Old Year Dying“. Letztes Jahr hat sie ihren zweiten Gedichtband „Orlam“ veröffentlicht, der als Grundlage für die Texte der Lieder gedient hat. Das Ergebnis sind schwer zu verstehende Lieder, die dafür aber magisch klingen und faszinieren.

Audio herunterladen (3,8 MB | MP3)

PJ Harvey pendelt zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Jedes Lied erzählt von einer Wiedergeburt, einer Offenbarung. Kein Song klingt wie der andere. Aber ein wiederkehrendes Motiv verbindet die zwölf Tracks: PJ Harvey pendelt zwischen der Vergangenheit und dem Jetzt.

PJ Harvey – „I Inside the Old Year Dying“:

Der Blick geht jetzt nach innen

In ihren letzten zwei Alben hat sie sich mit politischen Themen beschäftigt. Jetzt in „I Inside the Old Year Dying“ bewegt sich PJ Harvey in einem ätherischen Universum. Sie blickt nicht mehr in die Welt da draußen, sondern in sich hinein.

Und sie wühlt sich durch alle menschlichen Themen: Das Leben und der Tod, das Mystische und das Reale, das Kind und der Erwachsene. All diese Gegensätze finden sich wieder in der Musik: Trommeln, akustische Gitarren, Flöten, Klavier und Synthesizer bilden ein perfektes Gleichgewicht und schaffen zugleich eine erlösende und düstere Atmosphäre.

PJ Harveys Stimme moduliert sich immer neu

Einige Klänge sind inspiriert von der Natur, wie in „All Souls“, wo der Rhythmus des Schlagzeugs an den Klang von Donnerschlägen erinnert.  

PJ Harveys Stimme moduliert sich immer neu, zwischen Gesang und Sprechgesang wie in „Seem an I“, ganz tief in „All Souls“, um dann ganz hell und klein zu werden wie in „Autumn Term“.

Die Zeit vergeht, aber manches wiederholt sich: So wie die Jahreszeiten und die Monate, die einigen Songs den Titel geben.

PJ Harvey – „A Child's Question, August“:

Ein Gesamtkunstwerk, das man Song für Song hören muss

„I Inside the Old Year Dying“ zieht einen in eine ganz eigene Welt hinein. Dieses komplexe Album ist ein Gesamtkunstwerk, das man Song für Song hören muss.

Wenn man sich von PJ Harvey mitreißen lässt, begibt man sich auf eine mystische Reise, auch nach sich selbst.  

Weitere Alben in der Kritik

Musik Zweites Album von Arlo Parks: „My Soft Machine“

Mit gerade 22 Jahren hat es die britische Sängerin Arlo Parks nach ganz oben geschafft: Zwei Nominierungen für die Grammys, Mercury- und BRIT-Award-Preisträgerin. Die Obamas und Billie Eilish sind ihre Fans. Ihr Debütalbum „Collapsed in Sunbeams“ war ein großer Erfolg. Jetzt erscheint das Nachfolgealbum „My Soft Machine“. Darin zeigt Arlo Parks eine neue musikalische und auch persönlichen Seite.

SWR2 am Morgen SWR2

Albumkritik Neo-Soul-Hoffnung YellowStraps - Mehr als ein Geheimtipp

Was ist Neo-Soul? Die Musik des Belgiers YellowStraps erfüllt die Merkmale des Genres: Emotional, verletzlich und experimentierfreudig singt er über das Scheitern der Liebe. Und doch ist sein neues Album „tentacle“ vor allem ein Bekenntnis zum modernen Verständnis von Musik, die Genre-Grenzen sprengt. YellowStraps hätte es spätestens damit verdient, mehr als nur ein Geheimtipp zu sein.

SWR2 am Morgen SWR2

Jazz Beeindruckende Songs über Verlust und Neubeginn - Das Album „Awake" von Mirna Bogdanović

Für ihr Debütalbum „Confrontation" wurde die Sängerin Mirna Bogdanović vor zwei Jahren mit dem angesehenen Deutschen Jazzpreis als beste Newcomerin ausgezeichnet. Schon damit bewies die Künstlerin ihr vielseitiges Changieren zwischen Klassik, Jazz, Indie-Pop und elektronischen Spielformen.
Auf „Awake" thematisiert Mirna Bogdanović die emotionale Achterbahn einer Trennung, ohne sich dabei in Befindlichkeiten zu verirren. Vielmehr vermittelt sie zusammen mit dem hervorragend besetzten Ensemble Kraft und Zuversicht für einen Neubeginn. „Awake“ ist eine facettenreiche Produktion, reflektiert, voller Energie und mit raffinierten Arrangements - ein absolut hörenswertes Album, meint unser Jazzkritiker Georg Waßmuth.

SWR2 Journal am Mittag SWR2

Musik Belle and Sebastians neues Album: die Heimkehr der schottischen Indie-Pop Band

„A Bit of Previous“ heißt das zehnte Album der schottischen Indie-Pop Band Belle and Sebastian. Es ist das erste Album, das die Band seit 20 Jahren in ihrer Heimatstadt Glasgow aufgenommen hat. Die 12 Songs auf dem Album erinnern an ihren Sound aus der Anfangszeit ihrer Karriere. „A Bit of Previous“ ist damit sowohl eine geographische als auch eine musikalische Heimkehr der Band.

SWR2 am Morgen SWR2

Alternative Arctic Monkeys mit neuem Album „The Car“: Ein bisschen mehr Orchester, ein bisschen weniger Rock

Die britische Band Arctic Monkeys ist nicht mehr das, was sie einst war. Das neue ,,The Car" ist der Beweis dafür. Die Band beschreitet weiter den musikalischen Weg, den sie schon 2018 beim letzten Album eingeschlagen hatte, dieses Mal noch radikaler. Der Rock der Anfänge ist nun gänzlich passé: Orchesterinstrumente mischen sich mit Elektro-Gitarren: Rock trifft auf Klassik. Musikalisch bleiben die Jungs aus Sheffield damit zwar wie immer auf die Höhe, aber die Arctic Monkeys haben dabei ihre früher so ausgeprägte rockige Seite vergessen.

SWR2 Kultur aktuell SWR2