Musikthema

Der Jazzpianist Brad Mehldau und seine Autobiografie „Formation“

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AUTOR/IN
Hans Ackermann

Der amerikanische Pianist Brad Mehldau gehört zu den derzeit erfolgreichsten Musikern des Jazz. Sein Markenzeichen: Er verwendet gern Stücke aus der Popmusik. Erst vor einigen Wochen ist ein ganzes Album mit Songs von den Beatles erschienen. Jetzt hat Mehldau auch eine umfangreiche Autobiografie veröffentlicht. Darin geht es um musikalische Erfahrungen im New York der frühen 1990er-Jahre, wo er seinen musikalischen Stil entwickelt hat, aber auch ernste persönliche Probleme lösen musste.

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Beatles-Jazz

Nicht die bekannten Songs der Beatles, wie „Yesterday“, „Michelle“ oder „Hey Jude“ hätten ihn interessiert, sagt Brad Mehldau. Sondern Titel wie „I am the Walrus“. Schrullige und seltsame Musik, 1967 von den Beatles nur als B-Seite veröffentlicht.

Bei „I Am the Walrus“ zeigt Brad Mehldau seine große Stärke als Pianist mit zwei völlig voneinander unabhängigen Händen. Die eine spaziert vergnügt mit der Beatles-Melodie herum, die andere fügt unterdessen einen weitverzweigten Kontrapunkt hinzu. Nahtlos geht Brad Mehldau dann zum Titelstück des Albums über, „Your mother should know“ - das im Vergleich geradezu schlicht und einfach daherkommt.

Brad Mehldau plays The Beatles' daraus „Your Mother Should Know“

Schmerzliche Vita

In seiner Musik, sagt Brad Mehldau, spiegeln sich seine unterschiedlichen Lebenserfahrungen wider, sowohl angenehme, aber auch schmerzvolle Erfahrungen. Tatsächlich hat der 1970 in Florida geborene, an der Ostküste in der Nähe von Boston aufgewachsene Musiker schreckliche Dinge erlebt. Davon erzählt er in schonungsloser Offenheit in seiner Autobiographie.

Sexueller Missbrauch durch einen Lehrer,  eine jahrelange Heroinsucht, Depressionen - all diese „schwierigen Dinge“ hat der Pianist in seinem Buch niedergeschrieben. In einer Sprache, die seiner Musik ähnelt. Künstlerisch geformt, aber jederzeit klar verständlich. Etwa wenn Mehldau über das Heroin schreibt, mit dem er sich über Jahre in einen „Todesschlaf“ gespritzt hat: „In diesem Schlaf gibt es keine Träume. Die Stunden verschwinden einfach aus deinem Leben, sind für alle Zeiten ausgelöscht.“

Brad Mehldau, Jazz-Pianist, am Flügel (Foto: IMAGO, IMAGO / Sven Thielmann)
Brad Mehldau vermischt Pop, Rock, Klassische Musik und Jazz in seinem Klavierspiel.

Teil 1 von 2

Wie in einem „Bildungsroman“, sagt Brad Mehldau, beschreibt er im Buch, wie er sich zu einem erwachsenen Charakter  entwickelt – was etwa im Alter von 26 Jahren der Fall gewesen sei. Dort enden dann auch Mehldaus Memoiren, ein zweiter Teil sei aber geplant. Seine tatsächlich an Herman Hesse orientierte Erzählweise verbindet der germanophile Mehldau mit einer detaillierten Beschreibung der New Yorker Jazz-Szene. In die er Ende der 80er Jahren eintaucht, junge  Kollege wie den Saxophonisten Joshua Redman kennenlernt und älteren Legenden am Klavier über die Schulter schaut.

Ganz im Geist von Herbie Hancock habe er nun gerade erst „Here, there and everywhere“ von den Beatles mit neuen Jazz-Harmonien ausgestattet, sagt Mehldau, dessen Buch auch ein wunderbares Plädoyer für die Kraft des Radios ist. 

Dort nimmt seine musikalische Entwicklung in den 70er Jahren ihren Anfang, mit dem Ohr am Radiowecker, den er von seinen Eltern zum 7. Geburtstag geschenkt bekommt und dort stundenlang Fleetwood Mac, Billy Joel und Supertramp hört. Im Auto-Radio, das auf den Überland-Fahrten mit seinen Eltern immer eingeschaltet ist, hört er als Kind dann auch zum allerersten Mal klassische Musik. Rudolf Serkin mit Beethovens Appasssionata“. „Sein heroische Klavierstil“, schreibt Mehldau, „hat mir damals sehr imponiert“.

4 Big B's: Beethoven, Bach, Brahms und die Beatles

Beethoven, Bach und vor allem Johannes Brahms kommen in Mehldaus Buch in vielen Anmerkungen vor, Jazz und Pop sowieso, wobei er die Beatles erst spät in seinen musikalischen Kanon aufnimmt, dann umso tiefer in die musikalischen Welten der britischen Band eintaucht.

Mehldaus Beatles-Album endet mit einer hinreißenden Version von „Golden Slumbers“. Vom Text her nur ein Schlaflied von Paul McCartney, das man nach der Lektüre des Buches aber natürlich ganz anders hört. Tiefe Melancholie, die von traumatischen Erlebnissen herrührt. Am Klavier, sagt Brad Mehldau, versuche er letztlich nichts anderes, als dieses Trauma irgendwie in etwas Schönes zu verwandeln.

Album-Besprechung zu „Your Mother Should Know: Brad Mehldau Plays The Beatles“

Jazz „Your Mother Should Know“, Brad Mehldau plays the Beatles

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