Fado

„Pura Vida“ mit Mísia

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Der Fado, dieser ganz spezielle portugiesische Gesang vom großen Weltschmerz und der Sehnsucht nach besseren Zeiten, gehört seit dem Jahr 2011 zum immateriellen Weltkulturerbe. Mísia, 1955 in Porto geboren, erweist sich erneut als Impulsgeberin der Fado-Szene. Sie zeigt auf ihrer aktuellen CD „Pura Vida“ große künstlerische Freiheiten in der Textwahl und im Arrangement.

Ein sehr persönliches Album

Das neue Album der „Fadista“ Mísia beginnt fast zögerlich mit leisen Tönen. Eine Bassklarinette improvisiert einsam und ziemlich verloren vor sich hin, bis die Sängerin mit ihrem Klagegesang einsetzt. „Pura Vida“ ist ein sehr persönliches Album. Erst vor kurzem machte die 64jährige Sängerin bekannt, dass sie eine schwere Krebserkrankung überwunden hat. Aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte sich Mísia deshalb nie. Sie gab Konzerte und ging sogar auf Tournee.

„Das Schicksal ist eine Beleidigung für alle, die wehrlos aufwachen"

Doch welche Gedanken sie bewegten, kann man nachhören. So wählte sie zum Beispiel ganz bewusst einen Text von Torres da Silva, in dem es heißt: „Das Schicksal ist eine Beleidigung für alle, die wehrlos aufwachen und kaum wissen, wie man erwachsen wird“.

Eine Produktion mit großen künstlerischen Freiheiten

Ihr Leidensweg habe in den letzten beiden Jahren nicht nur die Auswahl der Texte, sondern auch die Arrangements beeinflusst, erzählt Mísia. So hätten sie und die Musiker in „Destino" zum Beispiel eine verfremdete E-Gitarre mit einem rauen, harten Klang verwendet. Ihr gegenüber stünde ein traditionelles Instrument mit hellem, optimistischen Klang. „Wir haben uns während der Produktion große, künstlerische Freiheiten geleistet. Es sollte ganz bewusst keine typische Fado-CD werden."

Fado-Gesang im Hier und Jetzt

Mísia war noch nie eine Traditionalistin. Ihr Fado-Gesang soll stets im Hier und Jetzt andocken, das hält sie seit Beginn ihrer Karriere so. Bereits Anfang der 1990er Jahre startete sie durch. Zeitgenössische Autoren, wie etwa der portugiesische Literaturnobelpreisträger José Saramago, widmeten ihr poetische Zeilen.

Umstrittenes ästhetisches Konzept

Im eigenen Land ist die Sängerin nicht unumstritten. Elektrische Gitarre und E-Bass sind manchen Fado-Anhängern ein Greul, für sie bleibt am besten alles so, wie es überliefert ist.

Die Sehnsucht nach einem intensiven Leben bleibt

Mísia: „Das einzige was ich dazu sagen kann ist, dass sich der Klang unterscheidet, aber doch nicht der Gehalt. Es geht ja um meine Sehnsucht nach dem Leben, nach einem intensiven Leben. Deshalb sind auch die Texte und Arrangements so ausgefallen, das sollte jeder nachvollziehen können."

Künstlerisch hochwertiges Konzeptalbum

Für die Produktion der CD verantwortlich ist neben Mísia ihr langjähriger Partner Fabrizio Romano. Ihm ist sicher auch zu verdanken, dass „Pura Vida“ keine emotionale Achterbahn-Fahrt, sondern ein künstlerisch hochwertiges Konzeptalbum geworden ist. Das Label „Galileo Music“ hat zudem in Portugal ein Tonstudio der Extra-Klasse angemietet. Dort konnte in aller Ruhe ein Dutzend handverlesener Künstler dem Projekt einen sehr individuellen Stempel aufdrücken.

Fado als „Echo ihrer Zerbrechlichkeit“

So wirkt das Album wie ein gelungener Konzertabend unter einem großen, thematischen Bogen. „Pura Vida“ schreibt Mísia in ihrem reflektierten Begleittext, sei keine Produktion um das Publikum zu überrumpeln. Vielmehr wollte sie ein „Echo ihrer Zerbrechlichkeit“ aufnehmen, ohne Angst zu haben, dabei ihre Narben zu zeigen. Dem muss man nichts hinzufügen.

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AUTOR/IN
SWR