Jenseits von Gut und Böse
Keine zwei Takte braucht Michel Camilo, um seine Big Band auf Tempo 200 zu bringen. Er selbst hämmert dabei den Grundrhythmus ins Klavier.
Das ist neben dem Tempo die Voraussetzung für den Big Band-Sound des temperamentvollen 65jährigen: „Mein Konzept für die Big Band zu schreiben ist eigentlich ganz einfach. Ich übertrage alles, was ich selbst am Klavier beherrsche, auf eine größerer Anzahl von Musikern. Die müssen dann natürlich eine Qualität jenseits von Gut und Böse haben, sonst klappt das nicht.“
Hochbegabter Ausnahmepianist
Michel Camilo wurde 1954 in Santo Domingo, der Hauptstadt der Dominikanischen Republik, geboren. Neun seiner Onkel sollen alle mit Musik ihren Lebensunterhalt bestritten haben, versicherte er einmal in einem Interview.
Seine Familie wollte Michel erst einmal in einen bürgerlichen Beruf zwingen, doch der Hochbegabte strebte zum Nationalen Konservatorium. Dort entwickelte er sich binnen weniger Jahre zu einem Ausnahmepianisten. Er beherrscht die Feinheiten des differenzierten Spiels und ist mit melodischem Einfallsreichtum geradezu gesegnet.
Von allem nur das Beste
Bereits als Jugendlicher leitete Michel Camilo das Nationale Sinfonieorchester seines Heimatlandes. Dann ging er in die USA und setzte seine Studien bei einer ganzen Reihe großer Namen fort. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, ob er Pianist, Dirigent, Komponist oder Arrangeur werden wollte.
Eines jedoch war ihm klar: „Ich habe einfach das Beste von jedem mitgenommen. Aber so nach und nach stellte sich dann heraus, welche Freude mir das Schreiben für die Big Band macht. Dann habe ich mir einen guten Lehrer gesucht und mich ein Jahr lang nur darauf konzentriert. Danach ging ich gleich mit meiner ersten Formation auf Tournee. Es war ein Riesenerfolg.“
Wenn der Meister ruft
Wie ein Meisterkoch hält Michel Camilo seine Karriere auf vielen Flammen unter Dampf. Als Klaviersolist, mit seinem Jazz-Trio und mit vielen anderen Formationen. Seine ganz besondere Aufmerksamkeit galt und gilt dabei allerdings immer der Big Band-Besetzung.
Die langjährigen Erfahrungen damit sind bei der Neuerscheinung miteingeflossen. Deshalb lautet der englische Titel seiner Jubiläums-CD auch „essence“ und zum dem Kern der Band, der Rhythmus-Sektion, haben sich für die Aufnahme auch einige Newcomer bei den Bläsern hinzugesellt.