Buchkritik

Ulrike Herrmann – Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden

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AUTOR/IN
Günter Kaindlstorfer

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Hat der Kapitalismus in Zeiten des Klimawandels eine Zukunft? Nein, sagt die taz-Journalistin Ulrike Herrmann in ihrem neuen Buch.
Rezension von Günter Kaindlstorfer.

Kiepenheuer & Witsch Verlag, 352 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-462-00255-3

Ulrike Herrmann hat nichts gegen den Kapitalismus. Angetrieben von der großzügigen Verfeuerung fossiler Energien hat er der Menschheit ein welthistorisch unvergleichliches Ausmaß an Wohlstand gebracht. Künstliche Hüftgelenke und fließendes, warmes Wasser, U-Bahnen, Kühlschränke, Autobusse und Personal Computer, eine demokratische Presse, Feminismus, die Anerkennung der Rechte von Transpersonen und die Inklusion von Menschen mit Behinderung: nichts von alledem wäre Wirklichkeit geworden, wenn wir noch auf dem Wohlstandsniveau des 16. oder 17. Jahrhunderts verharren würden. Die kapitalistische Wirtschaftsweise hat ungeheure Verdienste, wie schon Marx und Engels erkannt haben, sie bringt aber auch ein unauflösbares Problem mit sich, wie Ulrike Herrmann in ihrem Buch noch einmal herausarbeitet: Ohne Wachstum funktioniert sie nicht.

„Ohne ständige Expansion bricht der Kapitalismus zusammen ...“
... hält die taz-Journalistin fest.

„In einer endlichen Welt kann man allerdings nicht unendlich wachsen.“

Wie man etwa an der Klimakatastrophe sieht, die als apokalyptische Drohung über uns allen hängt. Optimistische Geister, gern aus wirtschaftsnahen Thinktanks, hängen nun der verheißungsvollen Vorstellung an, man könne beides miteinander verbinden: Kapitalismus UND den Schutz der Umwelt im globalen Maßstab. Ulrike Herrmann diskutiert in ihrem Buch verschiedene Modelle des Geo-Engineerings – und verwirft sie allesamt:

O-Ton Ulrike Herrmann:
„Ja, das wäre natürlich wunderbar, wenn wir so eine Art CO2 Staubsauger hätten und einfach das Kohlendioxid oder auch andere Treibhausgase wieder aus der Luft absaugen könnten. Aber das Problem ist einfach ein doppeltes. Zum einen ist das sehr, sehr energieintensiv und man müsste das ja dann mit grüner Energie machen, damit man nicht neue Treibhausgase oder neues CO2 emittiert. Und das andere ist, dass es einfach viel zu teuer würde. Das kann sich kein Mensch leisten.“

Die Vorstellung von einem „Grünen Wachstum“ erinnere sie an den Traum, permanent Kuchen zu futtern und trotzdem nicht dick zu werden, formuliert Ulrike Herrmann in ihrem erfrischend sachlichen und wohltuend undogmatischen Buch.

O-Ton Ulrike Herrmann:
„Grünes Wachstum wird es nicht geben. Es geht um grünes Schrumpfen.“

Das Ziel, so Herrmanns Befund, müsse eine „Ökologische Kreislaufwirtschaft“ sein – ein System, in dem die Menschen nur noch verbrauchen, was sie auch recyceln können. Der Weg dorthin – eine ebenso spannende wie provokante These – ist in Ulrike Herrmanns Augen nur durch strenge staatliche Reglementierung zu erreichen, für die sie die britische Kriegswirtschaft des Zweiten Weltkriegs als historischen Referenzrahmen ausmacht. Diese Kriegswirtschaft müsse man sich als originelle Mischung aus privatem Unternehmertum und staatlicher Planung mit strengen Rationierungen vorstellen, so Herrmann:

O-Ton Ulrike Herrmann:
„Es wurde nichts verstaatlicht. Also Läden, Restaurants, Fabriken, das blieb alles privat. Aber der Staat hat eben Ziele vorgegeben, was noch produziert wird. Wie das dann in den Fabriken ablief, da hat sich der Staat auch nicht eingemischt. Das haben die Manager und Eigentümer selbst entschieden, aber es gab Ziele. Und die Briten haben nicht gehungert. Es gab für alle immer das Gleiche. Was im Übrigen, sehr interessant, extrem populär war.“

Weil das unterste Drittel der britischen Gesellschaft ökonomisch sogar besser dran war als in Friedenszeiten, so Ulrike Herrmann. Vor einer „Ökologischen Kreislaufwirtschaft“, erklärt die taz-Journalistin, brauche sich niemand zu fürchten; es würde alles geben, was ein gelungenes Leben ermöglicht: Waschmaschinen, Computer, Bücher und supercoole Fahrräder, dafür aber keine Banken, keine Lebensversicherungen und auch keinen weltumspannenden Flugverkehr mehr. Ob das wirklich eine so grässliche Vorstellung ist?

(Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.)

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Günter Kaindlstorfer