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Tagung „Archivasyl“ in Marbach: Warum es so schwierig ist, das Werk von Exil-Autor*innen sicher zu archivieren

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Martin Gramlich

Wie archiviert man das Werk von Autorinnen und Autoren, die auf der Flucht sind oder im Exil leben? Es sei bislang nicht üblich, Literatur nur vorübergehend in die Bestände von Archiven aufzunehmen, sagt Sandra Richter, Leiterin des Deutschen Literaturarchivs in Marbach. Doch die Not der betroffenen Künstler*innen sei groß.

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Was ins Archiv kommt, bleibt im Archiv?

Deutschlands Archive können den Werken verfolgter Autorinnen und Autoren bisher kaum Unterschlupf geben. Auf dieses Problem weist die Leiterin des Deutschen Literaturarchivs Marbach, Sandra Richter, in SWR2 hin. Anlässlich der Tagung „Archivasyl“ in Marbach sagt Richter: „Eigentlich bleibt bei uns auf ewig, was in unsere heiligen Hallen Einzug gehalten hat.“

Deshalb müsse man die Vorschriften ändern, wenn Exilliteratur nur übergangsweise in die Bestände genommen werde, wenn sie ausgeliehen oder durch Schenkungen wieder anderenorts Zuschlupf finden. „Dieses alles haben wir bisher noch nicht praktiziert“, so Richter.

Die Not der Exil-Autor*innen ist groß

Angesichts der Verfolgung von Autorinnen und Autoren in vielen Ländern fühle man sich jedoch in der Pflicht, Möglichkeiten der Archivierung von literarischen Beständen zu schaffen. Die Not der Betroffenen, die ihre Texte und Skriptentwürfe sicher aufbewahrt sehen wollten, sei groß.

„Sie kommen oft mit einer anderen Sprache, sie kommen in einem Zustand, in dem sie ihr Publikum verloren haben.“ Als Beispiele nennt Richter den chinesischen Schriftsteller Liao Yiwu und den türkischen Publizisten Can Dündar.

Ein Problem sei, dass viel Material nach wie vor nicht digital vorliege, sondern in Papierform. In den existenziellen Krisen, in denen sich verfolgte Schriftsteller befänden, hielten sie an ihrem Material fest. „Gerade das konkrete Objekt gewinnt besonderen Wert“, stellt Richter fest und sagt für die nähere Zukunft vorsichtig: „Wir müssen schauen: Was können wir selbst bewältigen, was müssen wir tun mit Fachwissenschaftlerinnen aus den betreffenden Feldern.“

Gespräch Ausstellung "Will's Book" im Literaturarchiv Marbach - First Folio Grundlage der Shakespeare-Rezeption bis heute

Das Format des First-Folio, des ersten 1623 erschienenen Kompendiums der Werke William Shakespeares, das in der aktuellen Ausstellung in Marbach gezeigt wird, bildet bis heute die Grundlage der Shakespeare-Interpretation. Darauf hat die Direktorin des Archivs, Sandra Richter im Gespräch mit dem SWR2 Journal am Mittag hingewiesen. Jeder Folio Band, den sie in Marbach zeigten, sei ein Unikat, so Richter. "Das First-Folio mit den gesammelten Komödien, Tragödien und Historien hat den Ruhm Shakespeare's begründet", betonte die Literaturwissenschaftlerin. "Zeitgenossen des Dramatikers wie Ben Jonson oder Christopher Marlowe, auch große Stückeschreiber, wurden nicht in gleicher Weise bekannt wie Shakespeare, dessen Werke heute eine säkuläre Bibel sind und das liegt ganz wesentlich am First Folio." ,,Da wurde ein Autor geschaffen, ein Werk geschaffen, in ganz ungewöhnlicher Form." Die Ausstellung in Marbach konzentriere sich vor allem auf die deutsche Wahrnehmung von Shakespeare im 18. Jahrhundert, erläuterte Richter weiter. Damals sei der britische Dramatiker die Gallionsfigur für das neue Theater gewesen. Außerdem versuche die Schau zu zeigen, wie die Dynamik der Shakespearschen Stücke noch heute nachwirkt, so Richter.

SWR2 Journal am Mittag SWR2

Gespräch Exil, Heimkehr, Entfremdung - Der Afrikanist Manfred Loimeier über den Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah

Der diesjährige Literaturnobelpreis geht an Abdulrazak Gurnah. Geehrt wird er dafür, „die Auswirkungen des Kolonialismus und das Schicksal des Flüchtlings zwischen den Kulturen und Kontinenten“ zu schildern. Gurnah weiß, wovon er schreibt: Er wurde 1948 auf der Insel Sansibar geboren und floh als junger Mann nach England. Dort schrieb er zehn Romane sowie einige Erzählungen und lehrte Postkoloniale Literatur an der Universität Kent. Dazu zählen sicherlich auch seine eigenen Bücher, die auf Deutsch augenblicklich leider nur antiquarisch erhältlich sind. Der Heidelberger Afrikanist Manfred Loimeier setzt sich seit langem mit Abdulrazak Gurnahs Werk auseinander und erzählt davon im Gespräch mit SWR2-Literaturredakteurin Katharina Borchardt.

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