SWR2 lesenswert Kritik

Priya Guns – Dein Taxi ist da

Stand
AUTOR/IN
Luisa Meise

Eine indische Taxifahrerin verliebt sich in eine reiche, weiße Sozialarbeiterin. Davon handelt Priya Guns' Debütroman "Dein Taxi ist da". Ein Buch über Klassismus, Rassismus, Sexualität, Armut und das Leben in verschiedenen Welten.

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Diese Autorin spricht Klartext:

„[…] dies ist keine perfekte Geschichte. Das war sie von Anfang an nicht.“

„Dein Taxi ist da“ ist der Debütroman von Autorin Priya Guns. Er handelt von einer bisexuellen, indischen Taxifahrerin in einer namenlosen Großstadt – eine Stimme, die bisher selten in der Literatur zu Wort kam.  

Damani verdient ihr Geld als Fahrerin über eine App. Seit dem Tod ihres Vaters wohnt sie gemeinsam mit ihrer Mutter in einer kleinen Wohnung – sie stehen knapp vor der Räumungsklage. Neben ihren Aufenthalten in dem besetzen Haus Doo Wop und dem Anschauen von Videos der dubiosen Influencerin Dr. Hesse verbringt Damani die meiste Zeit ihres Tages im Auto. Während einer ihrer Fahrten lernt Damani Jolene kennen. Sie ist das Gegenstück zu Damani – reich, erfolgreich … und weiß.

Trotzdem – oder gerade deswegen – verliebt sich Damani in die andere Frau. Die beiden kommen einander näher, aber recht schnell wird klar, dass sie aus verschiedenen Welten mit klar markierten Grenzen kommen.
Als Damani Jolene schließlich in das Doo Wop einlädt, droht diese, ihr Leben gänzlich zu vereinnahmen und Damani muss sich entscheiden – für die Liebe zu Jolene oder die Loyalität zu ihren Freunden?

„Wenn diejenigen, die haben, nicht geben, müssen diejenigen, die nicht haben, nehmen“.

Dieser Satz klingt wie ein Motto zum gesamten Buch. Was ist recht, was unrecht und wem stehen diese Rechte zu? Von A wie Arbeitsbedingungen und Alkoholsucht über D wie Drogen und Demos bis hin zu Z wie Zuflucht und Zukunftsangst. Priya Guns lässt kein Thema aus: im Guten wie im Schlechten.

Denn die Autorin versucht auf ca. 320 Seiten wirklich jedes gesellschaftlich relevante Thema anzusprechen. Bio-Lebensmittel, Klimawandel, Klassismus, Migration, Obdachlosigkeit, Vegetarismus, Identität, Waffenhandel, Hautfarbe, Queer-Baiting, Armut, Kapitalismus – und damit wären nicht einmal alle aufgelistet.

Die meisten Themen werden nur kurz angeschnitten; für nähere Erläuterungen fehlte vielleicht die Zeit … oder die Geduld. Nichtsdestotrotz sind es diese Themen wert, erinnert zu werden, und Guns schafft es recht elegant, in kurzen Dialogen im Supermarkt oder durch zufällige Begegnungen auf der Straße eins nach dem anderen einfließen zu lassen.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Priya Guns mit Damani eine starke, selbstbewusste Protagonistin entworfen hat. Sie spricht politische Notstände an, setzt sich für ihre Freunde ein und steht zu ihrer Sexualität, ihrer Identität und ihrem Körper.

Die Lesenden erfahren jedoch wenig über ihre Gefühlswelt, weswegen sich über Damanis Motivationen größtenteils nur spekulieren lässt. Obwohl die Darstellung ihrer Figur schlüssig ist, macht es einem diese distanzierte und oberflächliche Art schwer, sich mit ihr zu identifizieren.

Die restlichen Figuren hat die Autorin mit deutlich mehr Tiefe gestaltet. Anhand ihrer detaillierten Beschreibungen kann man sich Damanis Umfeld beinahe bildhaft vorstellen. Da wäre unter anderem Mrs. Patrice, eine junggebliebene Seniorin und Damanis Stammfahrgästin, die sie regelmäßig zum Bingo bringt. Oder Stephanie: Beste Freundin, Lehrerin und stolze Besitzerin eines bananengelben Hosenanzugs.

Guns gelingt es, dass die Figuren einen bereits nach kürzester Zeit emotional berühren. Denn mehr als einmal wird deutlich, wie wenig es in diesem Buch um ein Einzelschicksal geht. Damani ist Teil eines Ganzen, Teil ihrer Familie, Teil eines aktivistischen Freundeskreises, Teil der Arbeitenden, Teil der Nicht-Beachteten etc.

Manche von Guns Ausführungen geraten dabei vielleicht etwas zu klischeehaft, was ich als weiße, deutsche Frau aber nur schwer beurteilen kann.

Trotz der vielen schwerverdaulichen Themen ist „Dein Taxi ist da“ ein Buch, das, obgleich seiner kühlen Art, gute Laune macht.

Wem der Schreibstil von Schriftstellerin Mithu Sanyal gefällt, wird auch Priya Guns „Dein Taxi ist da“ mögen. Die Sprache ist unverblümt und direkt – Damanis Auto riecht nach Kotze und sie wünscht sich, dass Frauen nicht auf ihre Titten reduziert werden würden. Insgesamt wimmelt es in dem Buch nur so vor sexuellen Anspielungen und umgangssprachlichen oder zum Teil auch vulgären Begriffen.

Über Priya Guns Privatleben ist bisher wenig bekannt. Guns wurde in Sri Lanka geboren und ist Tamilin. Sie wuchs in Kanada auf und hat Creative Writing studiert. Genau wie ihre Protagonistin Damani mag sie Gewichtheben und ist zudem Begründerin der Organisation Capokolam für sozial benachteiligte Jugendliche in Sri Lanka. Heute lebt sie in London und arbeitet als Schauspielerin und Autorin.

„Dein Taxi ist da“ – ein Buch voller Kontroversen, verpackt als leichte Unterhaltungslektüre.

Aus dem Englischen von Mayela Gerhardt
Blumenbar Verlag, 329 Seiten, 23 Euro
ISBN 978-3-351-05112-9

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AUTOR/IN
Luisa Meise