Peer Steinbrück stellt sein Buch "Das Elend der Sozialdemokratie" vor

Wie Steinbrück der SPD helfen will

Stand

Am 9.3.2018 von Kilian Pfeffer

Was läuft schief bei der SPD? Das wollte auch Peer Steinbrück herausfinden - und hat ein Buch darüber geschrieben. Schon oft war der Kanzlerkandidat von 2013 im Clinch mit seiner Partei. Der Titel seines Buches riecht nach finaler Abrechnung: "Das Elend der Sozialdemokratie". Sieht vielleicht nach Nachtreten aus, räumt Steinbrück bei der Vorstellung des Buches in Berlin ein. Er wolle aber zeigen, wie die SPD wieder nach oben kommt.

Ein Lacher: "Ich bereite meine Kandidatur für 2025 vor"

Gelacht wird selten an diesem Abend. Genauer gesagt nur an einer einzigen Stelle, ganz am Schluss. Und da auch nur ein bisschen. Der Moderator weist darauf hin, dass Peer Steinbrücks letztes Buch „Unterm Strich“ dazu beitrug, dass er Kanzlerkandidat der SPD wurde, und fragt, welches Ziel Steinbrück mit dem aktuellen Buch verfolge. Steinbrück: "Ich bereite systematisch meine erneute Kanzlerkandidatur für 2025 vor."

Peer Steinbrück bei der Vorstellung von "Das Elend der Sozialdemokratie" (Foto: SWR, SWR - Foto: Kilian Pfeffer)
Große Aufmerksamkeit und viele SPD-Mitglieder bei der Vorstellung von Peer Steinbrücks neuem Buch "Das Elend der Sozialdemokratie".

Minus 10 Millionen Wähler - wann beginnt das Umdenken?

Ansonsten geht es ernst zu. Das Publikum, mutmaßlich hauptsächlich kritische SPD Anhänger, lauscht konzentriert Steinbrücks Ausführungen. Der analysiert gnadenlos, was die SPD seiner Ansicht in den letzten Jahren und Jahrzehnten alles falsch gemacht hat. "Wenn man auf 20,5 Prozent abgesunken ist, wenn man in 20 Jahren zehn Millionen Wähler verloren hat, wenn man in aktuellen Umfragen bei 16, 17 Prozent ist, wann ist denn der Zeitpunkt gekommen, um den Finger aufs Schlimme zu legen? In einem halben Jahr, Dreivierteljahr? Gar nicht?"

Keine "Zeit für Gerechtigkeit"

Steinbrück lästert zum Beispiel über den Wahlkampslogan „Zeit für Gerechtigkeit“. Wieder einmal habe die SPD ein falsches Bild vom Land und seiner Gesellschaft gehabt, stellt er fest.

Will Steinbrück nachtreten?

Will Steinbrück nachtreten? Sieht vielleicht so aus, räumt der 71jährige ein. Er bestreitet das aber. Er will mit dieser Streitschrift helfen, dass die SPD wieder nach oben kommt. Sie dürfe nicht das wiederholen, "was sie als Fehler gemacht hat nach meiner Wahlniederlage 2013, nämlich zum Tagesgeschäft überzugehen. Oder den Begriff „Erneuerung“ zur Worthülse zu degenerieren und in einer Autoimmunreaktion jede kritische Analyse abzuwehren."

Europa, Finanzmarkt, Gerechtigkeit und Anstand

Steinbrück findet, die SPD muss sich besonders um drei Dinge kümmern:

  • Europa
  • Kontrolle und Regulierung des Finanzmarkts
  • Gerechtigkeit in der Gesellschaft

Da wird es spannend. Denn Steinbrück meint damit auch das hier: "Wie zum Beispiel mit Feuerwehrleuten und Polizisten bei Einsätzen umgegangen wird, wie das Personal der deutschen Bundesbahn bespuckt und angegriffen wird."

Kurz: Zivile Umgangsformen. Die SPD muss hier eine Haltung entwickeln, findet der ehemalige Ministerpräsident von Nordrheinwestfalen. Und in Sachen Integration und Flüchtlingen empfiehlt er: Klar die Probleme benennen und das nicht anderen überlassen. Besonders nicht den „rechten Dumpfbacken“.

Hände halten das aktuelle SZ-Magazin mit Peer Steinbrücks Stinkefinger auf dem Titelblatt (Foto: SWR, SWR -)
SZ-Magazin mit Titelmotiv "Peer Steinbrücks zeigt den Stinkefinger", September 2013

"Das darf der doch gar nicht"

Man ahnt: die SPD wird diese Hinweise eher nicht so begierig aufgreifen. "Die ersten Reaktionen auf mein Buch von einzelnen SPD-Leuten ist exakt so eine Autoimmunreaktion gewesen, nach dem Motto: Das darf der gar nicht sagen, das darf der nicht schreiben."

Für Peer Steinbrück gilt wohl die alte amerikanische Weisheit: Wer sein Land liebt, der kritisiert es. Sprich: Wer seine Partei liebt, der kritisiert sie. Das hat Steinbrück ja auch immer schon getan. Zurückgeliebt wird er wohl nicht, auch wenn die SPD aus den Analysen in seinem Buch eigentlich einiges mitnehmen könnte.

Immerhin: Applaus für Nahles und Scholz

Immerhin eins findet Steinbrück aktuell gut: dass Andrea Nahles und Olaf Scholz das neue Machtzentrum der SPD bilden. Das steht aber nicht im Buch. Das Manuskript wurde am 15. Dezember 2017 abgeschlossen, alle nachfolgenden Ereignisse wurden nicht mehr berücksichtigt.

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SWR