Otfried Preußler, Schöpfer von unsterblichen Kinderbüchern wie „Die kleine Hexe“, „Der kleine Wassermann“ und „Räuber Hotzenplotz“, kam vor 100 Jahren, am 20. Oktober 1923, in Böhmen zur Welt. Zu seinem 100. Geburtstag würdigt Literaturredakteur Tilman Spreckelsen den Kinderbuchautoren mit einer Biografie, für die er viel recherchiert und auch mit Preußlers Töchtern gesprochen hat.
Otfried Preußler hat Generationen von Kindern, Eltern und Großeltern einige der schönsten Kinderbuch-Figuren geschenkt. Nicht nur „Die kleine Hexe“, „Der kleine Wassermann“ und „Räuber Hotzenplotz“, auch „Krabat“ und „Hörbe mit dem großen Hut“ gehören immer noch zum festen Personal vieler Kindheiten.
In seiner Biografie zeigt Literaturredakteur Tilman Spreckelsen unter anderem, wie schwer es Preußler fiel, nach der Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft in der BRD Fuß zu fassen, wie er sich aber geschickt ein Netzwerk aufbaute, um schließlich nicht mehr als Lehrer arbeiten zu müssen, sondern als freier Schriftsteller leben zu können.
Autor Spreckelsen: „Der Ursprung des Erzählens ist die Mündlichkeit“
„Für mich ist das Besondere, dass diese Sprache erkennbar aus dem Mündlichen stammt“, sagt Tilman Spreckelsen. Preußler, der als Lehrer tätig war, habe am Ende des Unterrichts seine selbst erfundenen Geschichten den Schülerinnen und Schülern erzählt.
Seine Bücher habe er unter Zuhilfenahme eines Diktiergeräts formuliert, er sei durch den Wald gelaufen und habe seine Geschichten direkt eingesprochen. Auch wenn im Nachhinein diese Sätze abgetippt und ins Reine geschrieben worden seien, sei bei Preußler „der Ursprung des Erzählens die Mündlichkeit“, führt Spreckelsen aus.
„Und das merkt man diesen wunderbaren Sätzen auch an“, sagt der Literaturredakteur. „Die haben manchmal so einen Glockenklang, der anschwillt und dann wieder abschwillt. Mir gefallen die wirklich ganz ausgesprochen gut.“
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Kinderbuchklassiker als Singspiel „Der Räuber Hotzenplotz“ in Stuttgart – mitreißendes Opernvergnügen
Zum 100. Geburtstag von Otfried Preußler hat die Stuttgarter Staatsoper die Geschichte um Kasperl, Seppel und die gestohlene Kaffeemühle auf die große Bühne gebracht. „Räuber Hotzenplotz“ als Musiktheater mit krachledernem Folklore-Sound aus der Feder des Komponisten Sebastian Schwab. Die Inszenierung, die sich eng an den beliebten Kinderbuchklassiker anlehnt, präsentiert sich als phantasievolles liebenswertes Spektakel mit glänzenden Auftritten.
Diskussion um Kinderbücher
Kommentar „Eine verlogene Entscheidung“ – Zur Diskussion um die zurückgezogenen Winnetou-Kinderbücher
Im Streit um zwei Kinderbücher zum Film „Der junge Häuptling Winnetou“, die der Ravensburger Verlag aus dem Programm genommen hat, werde mit Halbwahrheiten und Übertreibungen gezielt Stimmung gemacht, sagt SWR2 Literaturkritiker Carsten Otte. Ironischerweise folge die erregte Diskussion rhetorischen Mustern, die das Niveau selbst der kitschigsten Winnetou-Szene deutlich unterböten.
Gegen jede Überzeugung „Wir müssen Kinderbücher umtexten“
Wenn Kinderbücher umgetextet werden, bricht zuverlässig Empörung aus. Dann heißt es schnell, die Kunstfreiheit sei in Gefahr. Ist das wirklich so schlimm, wenn der N***-König in Pippi Langstrumpf in Südsee-König umbenannt wird? Ist das ein Anschlag auf die Sprache? Nicole Diekmann und Stephan Anpalagan diskutieren in „Gegen jede Überzeugung“
Überarbeitete Kinderbücher Gelassenheit statt Kulturkampf: Die Debatte um Änderungen in Roald Dahls Büchern
Die Bearbeitung von Kinderbüchern von Roald Dahl hat einen heftigen Streit um Zensur ausgelöst. Aber handelt es sich wirklich um Zensur? Oder vielleicht eher um den zeitgemäßen Versuch, diese Texte von Stereotypen und Diskriminierung zu befreien? Der Literaturwissenschaftler Johannes Franzen von der Universität Siegen hat sich mit Roald Dahls Büchern beschäftigt und rät zu Gelassenheit.
Roald Dahl ist bekannt und auch geliebt für seinen schwarzen Humor und die Gemeinheiten in seinen Geschichten. Auch Kinder lieben ihn dafür. Wenn nun in aktuellen Bearbeitungen Begriffe, die verletzend wahrgenommen werden, verändert werden, mag das diesen Charakter der Bücher Dahls schmälern. Nicht aber die Inhalte und Stories so verändern, dass sie nicht wiedererkennbar wären, meint Johannes Franzen. Die Notwendigkeit oder zumindest das Interesse an den Anpassungen sieht der Literaturwissenschaftler auch ganz pragmatisch. Etwa auf Seiten der Erbengemeinschaft von Roald Dahl, deren Anliegen es gerade in Hinblick auf den Verkauf von Rechten ist, dass die Bücher zeitgemäß bleiben.
Kinderbücher als besondere Fall in der Debatte
Für das Genre „Kinderbuch“ ist die Frage um Adaptionen und Aktualisierung besonders spezifisch. Einerseits, so Franzen, ist Kindern die philologische Integrität von Büchern relativ egal. Sie wollen gute Geschichten lesen. Andererseits sind Kinder zugleich schutzloser, können Dinge nicht so einfach kontextualisieren. Das wäre die Aufgabe der Eltern, denen oft die Kapazitäten und vielleicht auch die Lust dazu fehlen. Adaptionen und Veränderungen, die ja auch für andere Stoffe längst üblich sind, kennt man deshalb schon lange.
Tradition der Adaption
Auch für die Stoffe von Roald Dahl gibt es diese Adaptionen schon länger. Angesichts der kritikwürdigen Person Dahl – er war offener Antisemit – kein Wunder. Zugleich, so Franzen, könnte man auch die Frage stellen, warum Bücher, in denen es so explizit auch immer wieder um das Bestrafen und Auslagen geht, tatsächlich noch Relevanz haben sollten. Aber das ist ein Prozess, der gesellschaftlich verhandelt werden muss. Was Dahl betrifft, faszinieren viele Leser seine Figuren und Geschichten bis heute.
Gelassenheit statt Kulturkampf
Die von Salman Rushdie nun ausgelöste heftige Debatte führt Johannes Franzen eher auf eine Politisierung des Umgangs mit Literatur zurück. Schon Dahl selbst hat unter Einfluss von Verlegern und seinem Umfeld seine Figuren und Geschichten verändert und bearbeitet. Im Streit jetzt geht es leider weniger um eine differenzierte Betrachtung von Literatur und ihrer Rezeption, sondern um die Vereinnahmung dieses Falls in die Debatte um linke und linksliberale Cancel-Culture.
Zum Internationalen Kinderbuchtag Von Glücksdrachen und Schatzsuchen: Diese Kinderbuch-Klassiker machen heute noch Spaß
Einige Kinderbücher stehen derzeit heftig in der Kritik. Doch viele Klassiker haben nichts an ihrer Faszination eingebüßt. Zum Kinderbuchtag haben wir ein paar Lesetipps.
Podcast Limonadenbaum – Der SWR2 Kinderbuchpodcast
Ob ganz neu oder schon ganz zerlesen, für die ganz Kleinen oder für schon große Erstleser*innen, knallbunt oder schlicht – die SWR2 Literaturredakteurinnen Anja Höfer und Theresa Hübner sprechen im Podcast über Kinderbücher. Und sie berichten, ob die den Vorlesetest bei ihren eigenen Kindern bestanden haben. Außerdem ist im Limonadenbaum Platz für Hörbücher und Themen, die Kinderbuchfans bewegen: Wie gehen wir mit problematischen Klassikern um? Welche Kinderbücher finden Eltern toll, Kinder aber gar nicht? Wie muss Sprache für Kleinkinder aussehen?
Gönnt euch ‘ne Limo und klickt auf Play, es gibt einiges zu bereden! Alle zwei Wochen freitags neu. Mehr zu den Folgen auf www.swr2.de/limonadenbaum