Leipziger Buchmesse

Österreich ist Gastland bei der Leipziger Buchmesse: Mehr als wir

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AUTOR/IN
Carsten Otte
SWR2 Literaturkritiker Carsten Otte (Foto: SWR, Georg Bielfeldt)

Österreich präsentiert sich auf der Leipziger Buchmesse unter dem Motto „meaoiswiamia“ als vielstimmiges Gastland und arbeitet sich damit sowohl an politischen Aktualitäten als auch ästhetischen Traditionslinien ab. Der Pavillon ist eher schlicht gehalten, was dann aber auch nicht von den ausgestellten Büchern ablenkt, findet Literaturredakteur Carsten Otte.

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Meaoiswiemia: Ein rätselhaftes Kampagnenmotto

Etwas Fantasie muss man schon mitbringen, wenn man den Pavillon des Gastlandes auf der Leipziger Buchmesse betritt. Weiße Vorhänge und graubraune Regalmeter gibt es zu sehen. Das soll Assoziationen von Schnee und verwittertem Holz wecken.

Gastland Österreich bei der Leipziger Buchmesse (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / WOLFGANG HUBER-LANG / APA / picturedesk.com)
Österreich auf der Leipziger Buchmesse: Die weißen Vorhänge sollen Assoziationen zu Schnee hervorrufen.

Neue österreichische Sachlichkeit kombiniert mit einem leicht rätselhaften Kampagnenmotto, das als leuchtend rote Lichtskulptur die Besucherinnen und Besucher begrüßt: „meaoiswiamia“ heißt der dialektale Slogan, der so heimatverbunden wie weltläufig wirken soll.

Der Claim ist wohl in erster Linie als eine Art politisch-ästhetische Selbstverpflichtung zu verstehen, als Abgrenzungsformel gegenüber jenem nationalistisch orientierten Österreich, das nicht erst seit der berüchtigten Ibiza-Affäre mit dem damaligen FPÖ-Vizekanzler Strache für Empörung sorgt.

Österreich präsentiert sich vielseitig und vielstimmig

Natürlich hat das charmante Kunstwort „meaoiswiamia“, das vom österreichischen Schriftsteller Thomas Stangl erfunden wurde, auch den Vorteil, den begriffsstutzigen Deutschen genüsslich erklären zu können, dass damit nichts anderes als „mehr als wir“ gemeint ist.

Mit über 100 Veranstaltungen, rund 200 Autorinnen und Autoren und fast 60 Verlagen kann Österreich in Leipzig eindrucksvoll demonstrieren, wie vielfältig und vielstimmig sich das literarische und intellektuelle Leben des Landes gestaltet.

Literaturredakteurin Katja Gasser, die den Gastland-Auftritt organisiert hat, versteht sich als Kämpferin gegen Klischees, die von Österreich nicht selten gezeichnet werden. Sie rennt in Leipzig aber auch offene Türen ein.

Gastland Österreich bei der Leipziger Buchmesse (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa)
Katja Gasser, die künstlerische Leiterin des Gastlandauftritts Österreich und Oliver Zille, der Direktor der Leipziger Buchmesse.

Die Liste der prominenten Gäste ist lang

Arno Geiger, Daniel Glattauer, Monika Helfer, Franzobel, Michael Köhlmeier, Robert Menasse, Robert Seethaler: die Liste der Stars aus Österreich, die sich in Leipzig angekündigt haben und die beim deutschen Publikum sowohl beliebt als auch bekannt sind, ist lang.

Von den prominenten Krimiautoren wie Bernhard Aichner und Heinrich Steinfest mal abgesehen, werden zur Buchmesse auch jüngere Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Raphaela Edelbauer, Birgit Birnbacher, Ana Marwan, Fiston Mwanza Mujila, Tanja Maljartschuk, Teresa Präauer und Ferdinand Schmalz auftreten.

Gastland Österreich bei der Leipziger Buchmesse (Foto: picture-alliance / Reportdienste, indiv)
Am österreichischen Pavillon gibt es einen Lyrik-Automaten, an dem man sich ein Gedicht ziehen kann.

Kein ästhetischer oder inhaltlicher Nenner

Literatur gehört vermutlich zu den erfolgreichsten Exportgütern der Alpenrepublik, und die Bücher aus und über Österreich sind tatsächlich nicht auf einen inhaltlichen oder ästhetischen Nenner zu bringen.

Was nicht zuletzt durch starke osteuropäische Einflüsse und neuerdings auch vermehrt migrantische Perspektiven zu erklären ist. Die Vielfalt gehört zur grundsätzlichen Qualität der zwar deutschsprachigen, aber eben nicht deutschen Literatur.

Dabei ist der nationalstaatliche Rahmen für die österreichische Literatur seit dem Zweiten Weltkrieg so real wie fiktiv; identitätsstiftende Momente lassen sich vor allem in der Negation erkennen.

Ein beispielloses staatliches Subventionssystem für Literatur

In vermutlich kaum einen anderen Land arbeiten sich Schriftstellerinnen und Schriftsteller so intensiv an den ästhetischen Traditionen und gesellschaftlichen Verwerfungen der Vergangenheit ab wie in Österreich, man denke nur an Elfriede Jelinek und Thomas Bernhard.

Der erstaunliche Erfolg der zeitgenössischen Buchkultur in Österreich aber ist nicht zuletzt durch ein staatliches Subventionssystem begründet, das in Europa einzigartig ist und jährlich rund 3 Millionen Euro umfasst.

Nur durch diese öffentliche Förderkultur erklärt sich auch die Vielzahl kleinerer Verlage in Österreich wie den Wiener Residenz Verlag, den Salzburger Otto Müller Verlag oder den Innsbrucker Limbus Verlag mit einem ausgewiesenen Lyrikschwerpunkt.

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Die Bücher beeindrucken

Es gehört zum Dauerthema der österreichischen Buchbranche, dass erfolgreiche Newcomer von größeren Verlagen aus Deutschland abgeworben werden. Wie bunt und engagiert die Literaturszene im Nachbarland ist, kann wohl erst erahnen, wer zu lesen beginnt, wer die Veranstaltungen und digitalen Angebote des Gastlandes wahrnimmt.

Vielleicht ist ein architektonisch ambitionierter Pavillon auch gar nicht nötig, wenn die ausgestellten Bücher beeindrucken – und das ist beim Gastland Österreich gewiss der Fall.    

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