Neues Buch von US-Ex-Außenministerin Madeleine Albright

Staffelstab des Faschismus

Stand

Am 16.7.2018 von Eva Marburg

Madeleine Albright lässt nicht locker. Die 81jährige US-Politikerin sieht im weltweiten Erstarken antidemokratischer und repressiver Kräfte einen neuen Faschismus heraufkommen. Dazu hat sie eine Warnung verfasst. So heißt auch ihr Buch, das heute im Dumont Verlag erscheint: „Faschismus. Eine Warnung“. Albright war in den 90er Jahren Botschafterin der Vereinten Nationen und dann Außenministerin unter Bill Clinton.

Donald Trump: der antidemokratischste US-Präsident der Geschichte

Die finsteren Zeiten, so benannte Hannah Arendt einst das Leben unter totalitären Regimes und auch Madeleine Albright beginnt ihr Buch mit einer düsteren Diagnose zur unmittelbaren Gegenwart. Besorgt konstatiert sie, dass das Ansehen der Demokratie verblasst und weltweit Angriffen und Schmähungen ausgesetzt ist.

An vorderster Stelle, die Demokratie auszuhöhlen, stehe Donald Trump: mit seiner Verachtung ihrer Institutionen, seiner Herabwürdigung des offenen, politischen Diskurses, seinen Schikanen, Drohungen und Verunglimpfungen sei er der „antidemokratischste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten“ und für Albright auch der Grund, wieder über Faschismus nachzudenken.

Trump reißt den Verband auf und kratzt am Schorf

Madeleine Albright: „Wenn wir uns den Faschismus als eine alte, fast verheilte Wunde vorstellen, bedeutete Trumps Amtsantritt im Weißen Haus, den Verband herunterzureißen und am Schorf zu kratzen.“

Kein Faschismus-Begriff

Doch was genau ist Faschismus? Albright schreibt, sie interessiere keine wissenschaftliche Begriffsstudie, sondern wolle mit dem Begriff eher konkrete Handlungen beschreiben, die weltweit auf dem Vormarsch seien: „Für mich ist ein Faschist jemand, der sich stark mit einer gesamten Nation oder Gruppe identifiziert und den Anspruch erhebt, in deren Namen zu sprechen, jemand, den die Rechte anderer nicht kümmern und der gewillt ist, zur Erreichung seiner Ziele jedes Mittel zu ergreifen, einschließlich Gewalt.“

Erbfolge faschistischer Diktatoren

Madeleine Albright gehört noch zu jener Generation, die von dem unerschütterlichen Glauben geprägt wurde, dass man aus der Geschichte lernen müsse. Und so deutet sie Faschismus regelrecht als eine Erbfolgereihe von Autokraten, die bei Benito Mussolini, als dem Erfinder des Faschismus, ihren Anfang nimmt.

Die einzelnen Kapitel behandeln so, mit immerhin überraschenden biografischen Einsprengseln den Werdegang verschiedenster politischer Führerfiguren: Hitler, Stalin, Putin, Milosevic, Kim Il-Sung, Erdogan, Chavez, Orban und Konsorten. Der Koch von Stalin war Putins Großvater und „Trocknet den Sumpf aus“ bereits eine Redewendung von Mussolini.

Die Herde der Staatschefs bewegt sich in Richtung Faschismus

Sie alle eine der Wille zur Macht und alle hätten den jeweils historisch günstigen Moment zu nutzen gewusst, ihre Macht auszubauen und zu stärken. Mehr noch, sie lernten voneinander: „Auf dem internationalen Parkett ist die Herdenmentalität stark ausgeprägt. Die Staatschefs weltweit beobachten und imitieren einander. Sie registrieren genau, in welche Richtung ihre Amtskollegen steuern, womit sie ungestraft davonkommen und wie sie ihre Macht erhalten und ausbauen. Sie folgen einander in den Fußstapfen, wie Hitler Mussolini gefolgt ist. Und heute bewegt sich die Herde in eine faschistische Richtung.“

Erdogan und Putin in einer Reihe mit Hitler und Stalin?

Albrights Beweggründe sind nobel: eine Warnung auszusprechen, um die Demokratie gegen ihre Bedrohungen zu verteidigen, wer wollte ihr das verübeln? Doch was ist damit gewonnen, Erdogan oder Putin in eine Reihe mit Hitler und Stalin zu stellen?

Der Faschismus ein Staffelstab, der seit Mussolini in der Weltgeschichte herumgereicht wird? Zwischen den Zeilen tritt die große Sorge überdeutlich hervor, mit Trump verliere das edle Amerika seine Vormachtstellung in seiner ersten Aufgabe, nämlich auf der ganzen Welt Demokratien zu implementieren.

Glaube an singuläre Macht von Staatsmännern

Faschismus ist kein Phänomen, das einzelne Männer an der Spitze ihres Staates betrifft. Vielleicht liegt die faschistische Tendenz unserer Zeit eher in dem unbedingten Glauben an die singuläre Macht der Staatsmänner, wie sie sich aus diesem Buch herauslesen lässt - eine Tendenz, gegen die eine stärkere Zivilgesellschaft helfen könnte.

Stand
AUTOR/IN
SWR