Wie Texte gelingen

Durch Hirnfoschung zum besseren Schreibstil

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SWR2 Wissen: Aula. Von Markus Reiter. Online: Susanne Paluch

SWR2 Wissen: Aula

Wie schreibt man spannende, verständliche Texte? Da kann die Hirnforschung helfen! Die erklärt, welche Satzstrukturen und Worte das Gehirn besonders ansprechend findet. Der Kommunikationstrainer Markus Reiter gibt Tipps aus der Neuro-Rhetorik für gelungenes Schreiben.

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Lesen ist ein sehr komplizierter Vorgang. Zunächst nimmt das Auge Buchstabenfolgen wahr. Es fixiert sie für einen sehr kurzen Moment, erfasst die Bedeutung und springt dann weiter. Diese sogenannten Fixationen dauern zwischen 170 und 350 Millisekunden, je nachdem wie vertraut die Wörter uns sind. Bei schwierigen Wörtern und komplizierten Sätzen springt das Auge öfter zurück – was das Lesen eindeutig mühseliger macht. 

In unserem Gehirn sind abstrakte Begriffe an einer anderen Stelle gespeichert als konkrete. Abstrakte Wörter wie "Obst" werden vom Gehirn im Wesentlichen linguistisch verarbeitet.

Das heißt: Wir wissen, was das Wort bedeutet, wenn wir es hören oder lesen. Und abstraktes Denken ist für unser Gehirn eine energieaufwendige und anstrengende Sache.

Daher geht die Mehrzahl der Studien davon aus, dass abstrakte Wörter langsamer verarbeitet werden als konkrete. Zudem erinnern sich die Menschen schlechter an solche Wörter.

Anders sieht es mit konkreten Wörtern aus. So testete ein Team spanischer Wissenschaftler Wörter, die mit Geschmackseindrücken zusammenhängen. Sie wiesen nach, dass konkrete Begriffe wie "Salz" oder "Zitrone" die gustatorischen Areale des Gehirn aktivierten. Bei abstrakteren Testwörtern geschah dies nicht. 

Menschen reagieren stärker auf Geschichten im Kopf als auf explizite Wissenserweiterung. Hier kommt die Amygdala im Gehirn ins Spiel. Sie ist Teil des emotionsverarbeitenden System des Gehirns.

Die Amygdala reagiert besonders stark auf angstauslösende Reize.

Illustration eines Menschlichen Gehirns (Foto: SWR, picture-alliance / Reportdienste -)
Das menschliche Gehirn: Der Hippocampus ist hier violett, die Amygdala pink dargestellt.

Allein die Schilderung einer angstauslösenden Situation reicht aus, um eine Gänsehaut zu verursachen und einen Schauer über den Rücken jagen zu lassen. Wörter wie "Horror", "Terror", "Krieg" oder "Gefahr" lesen – und schon überkommt einen ein unangenehmes Gefühl. Andererseits empfindet man Wörter wie "Schokolade", "Mutterliebe" und "Paradies" vermutlich als angenehm.

Allgemein gilt: Die meisten Wörter sind für Menschen nicht neutral. In einer Reihe von neurolinguistischen Projekten haben Wissenschaftler sogenannte "affektive Wortlisten" erstellt. Sie haben dazu tausende Wörter von mehreren hundert Probanden nach ihrem emotionalen Wert bewerten lassen und diese Werte dann gemittelt. Daraus ergibt sich, wie im Durchschnitt ein Wort emotional bewertet wird.

Vielfach haben die Wissenschaftler bei der Bewertung mehrere Dimensionen verwendet. Das Wort "Orgie" zum Beispiel wird eher negativ bewertet, wohl weil es etwas beschreibt, das als moralisch verwerflich angesehen wird. Genau deshalb löst es aber auch eine hohe Erregung aus.

Im Allgemeinen ist es wahrscheinlicher, dass ein konkretes Wort emotionaler wirkt als ein abstraktes. "Obst" wäre somit neutraler als "Banane", "Kirsche" und "Apfel".

Das komplette Manuskript finden Sie hier.

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