Sachbuch

„Geschichte der Zärtlichkeit“: Wie wir den einvernehmlichen Sex erfunden haben

Stand
AUTOR/IN
Pia Masurczak
Pia Florence Masurczak (Foto: SWR, Christian Koch)

„Konsensuell“ sollen sexuelle Begegnungen stattfinden, ohne Zwang oder Machtmissbrauch. Was eine Errungenschaft der feministischen Moderne zu sein scheint, hat tiefere und problematischere Wurzeln, erklärt Johannes Kleinbeck in seinem neuen Buch.

Audio herunterladen (2,9 MB | MP3)

Keine Pflicht mehr zu Sex in der Ehe – diese Idee entstand aus dem Gedankengut der Aufklärung

Es scheint so klar: Das ausdrückliche Ja zum Sex ist die Voraussetzung, um ungewollten Begegnungen klare Grenzen zu setzen. Das Prinzip „Ja heißt ja“ ist in Spanien sogar Gesetz geworden, auch wenn wegen juristischer Lücken zuletzt einige Straftäter freikamen.

Doch hinter dem scheinbar einfachen Prinzip des Konsenses steckt eine doppelbödige Geschichte. Denn entstanden ist die Vorstellung, dass Sex in der Ehe nicht mehr verpflichtend, sondern frei sein sollte, zwar aus dem Gedankengut der Aufklärung. Doch wo der Rechtsrahmen wegfiel, entstanden an seiner Stelle neue pädagogische und ästhetische Leitplanken, das beschreibt Johannes Kleinbeck in seiner „Geschichte der Zärtlichkeit“.

Kant, Rousseau und Freud verzweifelten an der Mehrdeutigkeit zwischenmenschlicher Gesten

Anstatt durch harte Regeln festgelegt, musste die zur Fortpflanzung nötige „Zuneigung“ der Eheleute zueinander nun auf andere Art und Weise sichergestellt werden: Ein Nährboden für die Herausbildung von scheinbar natürlichen Geschlechterrollen wie die der zärtlichen Weiblichkeit.

Zärtlichkeit, die aber auch verunsichert: Kant, Rousseau und später Freud verzweifelten an der Mehrdeutigkeit von zwischenmenschlichen Gesten und der Frage, wie sich Geschlechterverhältnisse – sowohl privat wie auch gesamtgesellschaftlich – regeln ließen.

Kleinbecks Sachbuch öffnet den Blick auf die Schattenseiten des Konsenses und die zwiespältigen Ursprünge der bürgerlichen Ehe – ohne dabei ein Abgesang auf die Zärtlichkeit und den Konsens zu sein.

Gespräch Amia Srinivasan – Das Recht auf Sex

Amia Srinivasan gilt als junge Star-Philosophin aus Oxford. Ihr Essayband über Sex, Macht und Politik wird als neues feministisches Manifest gefeiert. Jetzt ist „Das Recht auf Sex“ auf Deutsch erschienen – aber so viel Neues zum Thema Feminismus steht gar nicht drin.
Lukas Meyer-Blankenburg im Gespräch mit Silke Arning.
Aus dem Englischen von Anne Emmert und Claudia Arlinghaus
Klett-Cotta Verlag, 320 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3608982381

SWR2 lesenswert Magazin SWR2

Buch der Woche Inès Bayard - Scham

Ein schonungsloser Beitrag aus Frankreich zur #metoo-Debatte: Inès Bayard erzählt rau und brutal, wie das gutbürgerliche Leben Maries nach einer Vergewaltigung aus den Fugen gerät: Sie wird zur Mörderin. Doch fast schlimmer als ihre Tat scheint die Ignoranz ihrer engsten Vertrauten.

Aus dem Französischen von Theresa Benkert
Zsolnay Verlag
ISBN 978-3-552-05976-4
224 Seiten
22 Euro

SWR2 lesenswert Magazin SWR2

Buchkritik Anna Ardin - Im Schatten von Assange

Die Schwedin Anna Ardin hat Wikileaks-Gründer Julian Assange wegen sexueller Belästigung angezeigt und damit für dessen Verhaftung in London gesorgt. In ihrem Buch schildert sie ihre sehr intime Sicht der Ereignisse.
Rezension von Eva Karnofsky.
Aus dem Schwedischen von Antje Rieck-Blankenburg
Elster & Salis Verlag, 334 Seiten, 20 Euro
ISBN 978-3-0393-0020-4

SWR2 lesenswert Kritik SWR2