Wie entsteht Lyrik? Wie sind Dichterinnen und Dichtern ihre berühmten Zeilen eingefallen? Welche ihrer Ideen führte zum Schreiben?
Wie entsteht Lyrik? Wie sind Dichterinnen und Dichtern ihre berühmten Zeilen eingefallen? Welche ihrer Ideen führte zum Schreiben?
„Echt Himmel das Blau heute“ – so könnte eine poetische Beschreibung des Pfingstwetters lauten, das wir uns wünschen. Es ist aber auch der Titel eines Gedichtbands der Brandenburger Lyrikerin Frederike Frei, in dem sie Blumengedichte präsentiert. Allein das Wort lässt Erinnerungen an vergilbte Poesiealben und kitschige Bildchen wach werden. Doch Frederike Freis Lyrik klingt weder altbacken noch altmodisch, stattdessen modern, witzig und sie ist mit viel Temperament formuliert. Frei sagt über ihre Lyrik: "Eigentlich gibt es nur einen einzigen Grund zu schreiben: mit Wörtern der Welt die Welt der Wörter zu zeigen.“
Louise Glück ist eine der wichtigsten Lyrikerinnen Amerikas und wurde 2020 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Jetzt ist ihr jüngster Gedichtband in der deutschen Übersetzung von Uta Gosmann erschienen. Er trägt den Titel „Treue und edle Nacht“ und darf nach Ansicht der Übersetzerin als poetische Auseinandersetzung mit dem Alter verstanden werden. Uta Gosmann hat die mittlerweile 80-jährige Louise Glück schon vor vielen Jahren als Studentin in den USA persönlich kennengelernt, als sie begann, ihre Gedichte zu übersetzen und literarische Essays dazu zu schreiben. Die Gedichte in dem neuen Band sind eine Auseinandersetzung mit dem Alter und mit der eigenen lyrischen Sprache, sagt Uta Gosmann: „Auch in dem neuen Gedichtband geht es um das Abenteuer des eigenen Sprechens: Die größte Gefahr ist nicht der Tod, sondern das Verstummen." Ein Beispiel ist Glücks Gedicht „The Past" - „Die Vergangenheit".
Der April 2023 war der nasseste seit Jahren und der gerade begonnene Mai zeigt zwar sonnige Phasen, aber er könnte uns noch so manchen kalten Tag bescheren. Im vergangenen Jahr dagegen war der Mai fast zu warm, mit Temperaturen bis an die 30 Grad. Der Grund: Die „Eisheiligen“ sind letztes Jahr ausgefallen. Diese überraschend kalten Tage im Mai sind fünf verschiedenen Heiligen gewidmet und haben auch Lyriker beschäftigt. Sie beschwören sie in ihren Gedichten oder sie beschimpfen sie auch mal. Zwei Beispiele dafür sind Peter Engels „Kalte Sophie" und Gustav Falkes „An den Mai" – sie werden gelesen von Johannes Wördemann.
Am 30. April ist Hexennacht oder Walpurgisnacht oder Freinacht. Angeblich sollen sich in dieser Nacht Hexen zum gemeinsamen Tanz auf dem Blocksberg treffen. Johann Wolfgang von Goethe kannte diese traditionellen Vorstellungen und ließ sie in die Beschreibung der Walpurgisnacht in seinem „Faust“ einfließen. Goethe hat sich auch an anderer Stelle mit Zaubermächten und den damit verbundenen Gefahren beschäftigt, unter anderem in seiner berühmten Ballade „Der Zauberlehrling“. Die Vorlage dafür fand er in einem Text von Lukian von Samosata, dem bedeutendsten Satiriker der griechischen Antike. Darin geht es um einen Diener, der mit Hilfe einer magischen Formel ein Stück Holz zum Leben erweckt, das daraufhin unentwegt Wasser holt, bis der Herr des Hauses dem ganzen Zauber Einhalt gebietet. Goethe erzählt diese Geschichte originalgetreu in seiner Ballade. Der Schauspieler Heinz Hönig hat sie in seinem ganz eigenen Ton auf einem Hörbuch veröffentlicht.
Am 23. April ist der Internationale Welttag des Buches. Seit 1996 wird er jedes Jahr am 23. April gefeiert. Die UNESCO wählte dieses Datum, da es der Todestag von William Shakespeare und Miguel de Cervantes ist - zwei der bedeutendsten Autoren der Weltliteratur. SWR2 widmet sich einem deutschen Dichter, der nicht unbedingt zur Weltliteratur zählt, aber der sich viele Gedanken darüber gemacht hat, wie man der Gattung Lyrik richtig begegnet, nämlich mit Respekt und Offenheit. In seinen Gedichten sinniert der Rheinländer Axel Kutsch darüber – mit viel Augenzwinkern und feiner Ironie. Kerstin Bachtler stellt seinen „Gang durch ein Gedicht“ vor.
Ostern ist das Fest, an dem wir Christi Auferstehung und gleichzeitig auch den Frühling feiern - vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Es sollte schon richtig mild und schön sein, damit es den Kindern Spaß macht, Ostereier im Garten zu suchen. Mit dieser Problematik hat sich schon vor rund 100 Jahren der Dichter und Psychiater Heinrich Hoffmann beschäftigt - Autor des kontrovers diskutierten „Struwwelpeter“ und zahlreicher Kinderbücher. Um Kinder über Regen an Ostern hinweg zu trösten, hat er ein zauberhaftes Gedicht über fünf Osterhasen geschrieben, denen das Wetter gar nicht gefällt. Darüber hinaus widmete er einen ganzen Lyrikzyklus seinen Arztkollegen, denen er mit Augenzwinkern und medizinischer Fachkenntnis nicht ganz ernst gemeinte Therapieempfehlungen gibt.
Gertrud Kolmar gilt als bedeutende deutschsprachige Lyrikerin. Dennoch ist die jüdische Schriftstellerin, die 1943 in Auschwitz ermordet wurde, bis heute nur spärlich gewürdigt worden. Die Freiburger Germanistin Ingeborg Gleichauf holt dies nun nach, indem sie in ihrem Buch mit dem Titel „Alles ist seltsam in der Welt“ die radikale Dichterin, die sich in keine Kategorie einordnen lässt, porträtiert. Darüber und über das Gedicht „Kunst“ hat Kerstin Bachtler mit der Germanistin gesprochen.
Der Lyriker Walle Sayer aus Horb am Neckar ist ein Virtuose im Spiel mit den Stimmungen und Klängen der Stille. In seinen Gedichten beleuchtet er am liebsten „kleine“ Dinge, Nebensächlichkeiten, die manch einer vielleicht als banal abtun würde. Doch Walle Sayer hebt gerade sie mit seinen poetischen Formulierungen hervor und schafft so lyrische Kostbarkeiten. In seinem jüngsten Band „Das Zusammenfalten der Zeit“ hat Walle Sayer Prosagedichte versammelt, die viel über seine eigene Sicht auf Lyrik verraten. Am Beispiel seiner Gedichte "Additiv" und "Portraitphoto" erklärt Walle Sayer, was für ihn ein Prosagedicht ausmacht: „Wenn der Satz mehr im Vordergrund steht als der Vers. Wenn die Sätze mehr mäandern wollen, mich wohin führen wollen und mich dem überlasse. Beim Gedicht ist der Vers lakonischer, da kommt es mehr auf das Aussparen an, auf das, was zwischen den Zeilen schimmert. Wenn das Gedicht mehr erzählen möchte, dann geht der Vers in einen Satz über. Und wenn es dann mehr Material ist, das sich nicht anders bändigen lässt, dann wird es ein Prosagedicht.“
Der Dichter Ernst Blass klingt mit seinen nüchtern-melancholischen Gedichten manchmal wie Erich Kästner. Doch er ist im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen nicht berühmt geworden. Von den Nazis verfemt, geriet sein Werk in Vergessenheit. Erst 1980 erscheint zum ersten Mal wieder eine Gesamtausgabe mit seinen Gedichten. Das Alltagsleben in der Großstadt ist den Lyrikern vor Ernst Blass keinen Gedanken und schon gar kein Gedicht wert. Ernst Blass ändert das. Er findet gerade im auf den ersten Blick langweiligen Einerlei eines ganz normalen Tages eine zarte Poesie. Ein Beispiel dafür ist sein Gedicht „Vorfrühling“.
Was ist Heimat und was macht ein Zuhause aus? Das sind einige der Fragen, denen sich der Lyriker Hasan Özdemir in seinen Gedichten widmet. Der Autor wurde 1963 in der Türkei geboren und kam vor mehr als 40 Jahren nach Deutschland in die Pfalz, wo er seitdem lebt. Mit „Atembruch“ ist nun sein achter Lyrikband erschienen.
Nora Gomringer zählt zu den bedeutendsten Lyrikerinnen der Gegenwart. Ausgezeichnet mit zahlreichen Literaturpreisen, darunter dem Ingeborg Bachmann-Preis, performt sie ihre Lyrik gerne auf der Bühne. Sei es in Form eines Poetry Slams oder als Lyriklesung, ob mit oder ohne Musik. Ende Januar war sie zu Gast bei der Langen Lyriknacht im SWR Studio Kaiserslautern. Dort trug sie teils witzige, teils nachdenkliche Gedichte vor, so wie die Texte über Demenz und Depression. Kerstin Bachtler hat mit Nora Gomringer über ihre Lyrik gesprochen.
Der Hörspielsprecher, Autor und Lyriker Gert Heidenreich liebt das Meer. Ihm hat er ein umfangreiches poetisches Werk gewidmet: „Das Meer – Atlantischer Gesang“. Es ist ein Epos über die See und die berühmten Kreidefelsen der Côte d‘Albâtre in der Normandie. Seit 1976 ist die französische Küste zwischen Le Havre und Calais die zweite Heimat des Schriftstellers. Sie bestimmt seine Impressionen, Erzählungen und Reflexionen, die sich in seinem Atlantischen Gesang zu einer eigenen lyrischen Form verbinden: eine große Ode auf das Meer und eine dichterische Reise zum Ursprung des Lebens.