Alois Hotschnig hat seine Antrittsrede als Mainzer Stadtschreiber 2023 gehalten. Der österreichische Schriftsteller will in seinem Stadtschreiberjahr „Augen und Ohren offen halten, um neue Geschichten zu entdecken“. Der 1959 in Kärnten geborene Autor schreibt Romane, Erzählungen, Hörspiele oder Theaterstücke.
Hotschnig folgt als als Stadtschreiber der Schriftstellerin Dörte Hansen, die in ihrem Mainzer Jahr ihren dritten Roman – “Zur See“ – veröffentlicht hat.
Hotschnig lässt sich Zeit beim Schreiben
Alois Hotschnig ist ein ruhiger, bedächtiger Mensch. Bevor er auf eine Frage antwortet, überlegt er und lässt sich Zeit, um dann aber sehr geschliffen zu formulieren. Auch beim Schreiben lässt er sich Zeit. Auf ein neues Buch müssen seine Fans manchmal jahrelang warten, aber so ist es eben. Den Literaturbetrieb bedient er damit nicht. Er habe gar nichts, gegen das Marktgeschrei, sagt Alois Hotschnig, nur er selbst könne dem nicht entsprechen.
„Ich würde der Hektik nicht standhalten können. Und zwar hat das für mich schon diese Bedeutung: Ich bin vielleicht 1,70 – es wäre so unmöglich gewesen, hätte ich mich zwingen wollen, 2,10 m zu werden. Noch, jetzt, auf die alten Tage. Ein Ding der Unmöglichkeit. Und dieses Ding der Unmöglichkeit – dafür zerstöre ich doch nicht meine Literatur.“
Jahrelange Recherchen für den Roman „Der Silberfuchs meiner Mutter“
Damit seine Literatur entstehen kann, dafür hört Alois Hotschnig sich schon einmal fünf Jahre lang die Lebensgeschichte eines Schauspielers an, immer wieder, in allen Bruchstücken und Facetten, die sie aufweist. Derart hat er auch aus dem Leben des Schauspielers Heinz Fitz den Heinz Fritz gemacht, die Hauptfigur seines Romans „Der Silberfuchs meiner Mutter“.
Schreiben wie Menschen erzählen
Die elementare Unsicherheit, die spärlichen Informationen, das mangelnde Zugehörigkeitsgefühl – das alles erzählt Alois Hotschnig in einer kreisenden Bewegung der Erinnerung, so wie Menschen eben erzählen. Für jede Geschichte, die er schreibt, sucht er nach dem passenden Ton, stellt sich selbst Aufgaben, die zu schwer zu sein scheinen – und meistert sie dann eben doch.
Der Pfarrer stellte ihm einst eine Kiste Bücher vor die Tür
So erfindet Alois Hotschnig sein Schreiben immer wieder neu, vor allem in seinen Erzählungen ist er experimentierfreudig. Dabei ist der 1959 in Kärnten geborene Autor in einem Elternhaus ohne Bücher aufgewachsen. Der Pfarrer habe ihm einmal eine Kiste voller Bücher vor die Tür gestellt, mit der Aufgabe, innerhalb eines Jahres zu schauen, was ihm gefalle.
Über das Lesen zum Schreiben gekommen
Heute sagt Alois Hotschnig, diese Bücher hätten ihm die Welt geöffnet. Denn über das Lesen kam er zum Schreiben, so wie vor dem Sprechen erst einmal das Hören und Sehen kommen sollte. So hat er sich auch für sein Mainzer Stadtschreiberjahr vorgenommen, mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt zu gehen und sich beeinflussen zu lassen von Menschen und Begegnungen.
Hörbuch-Tipp: Wolfram Berger liest „Der Silberfuchs meiner Mutter“
Alois Hotschnig, Mainzer Stadtschreibner 2022
Literatur Nächster Stadtschreiber von Mainz wird Alois Hotschnig
Die Stadt Mainz, das ZDF und 3sat haben den österreichischen Schriftsteller Alois Hotschnig zum Mainzer Stadtschreiber des nächsten Jahres bestimmt.
Buchkritik Alois Hotschnig – Der Silberfuchs meiner Mutter
Mit dem Roman „Der Silberfuchs meiner Mutter“ legt der österreichische Schriftsteller Alois Hotschnig eine so bittere wie berührende Überlebensgeschichte vor, die von Ausgrenzung und Euthanasie, aber auch Möglichkeitsräumen handelt, in denen willkürliche Grenzziehungen nicht gelten.
Rezension von Carsten Otte.
Kiepenheuer & Witsch, 224 Seiten. 20 Euro
ISBN: 978-3-462-00213-3
Dörte Hansen, Mainzer Stadtschreibnerin 2022
Dokumentarfilm „Inseln im Regen“ – Die Mainzer Stadtschreiberin Dörte Hansen über die Färöer
Zum Mainzer Stadtschreiberpreis gehört es, einen Dokumentarfilm zu einem frei wählbaren Thema machen zu dürfen. Dörte Hansen hat einmal mehr ihrer Insel-Sehnsucht nachgespürt und hat mit ihrem Mann, dem Kameramann Sven Jaax, die Färöer besucht. Entstanden ist ein Film voller poetischer Bilder, die dennoch die Härte des Insellebens nicht aussparen.
Literatur Insel-Sehnsucht - Dörte Hansens neuer Roman „Zur See“
Was ist es, das uns immer „Zur See“ zieht, auch wenn diese dem Menschen gefährlich werden kann? In Dörte Hansens aktuellem Roman geht es um die alteingesessene Insel-Familie Sander und die Veränderungen, die sie erlebt: Wir erfahren, dass der älteste Sohn nur noch auf der Fähre die Leinen losmacht, obwohl er mal Kapitän war, dass seine Schwester krank wird vor Heimweh, wenn sie die Insel verlässt und dass der Vater lieber allein auf einer Vogelwarte ausharrt, als bei seiner Familie zu sein. Die Geschichten und Erinnerungen, die Dörte Hansens Figuren verbinden, erzählt sie in ihrem ganz eigenen Stil: präzise beobachtet, in klaren Bildern und in Sätzen von eindringlicher Schönheit.
Gespräch Als Stadtschreiberin von Mainz will Dörte Hansen die Fasnacht ergründen
„Mainz ist für mich fast exotisch“, gibt die friesische Schriftstellerin Dörte Hansen in SWR2 zu. Beim ersten Besuch in Mainz sei sie aber mit so großer Freundlichkeit empfangen worden, dass sie über ihre Aufgabe als Stadtschreiberin ganz glücklich sei.
Es sei ein wunderbares Geschenk, in Mainz sein zu können, in einer wunderbaren Wohnung nahe am Rhein, mit der Aussicht, sich diese Stadt erobern zu können.
Vorgenommen habe sie sich für ihre Zeit in Mainz, das Wesen der Fasnacht zu ergründen, sagt Hansen. „Auch wir Nordfriesen können feiern“, so die Schriftstellerin, „aber irgendwie sind wir dabei doch ein bisschen zugeknöpfter.“
Wasser sei dabei immer gut, so die Schriftstellerin mit Blick auf ihre schriftstellerischen Sujets, „aber es muss nicht immer die Nordsee sein“. Die „Lieblichkeit von Mainz“ und der Landschaft am Rhein tue ihr gut.
Ohnehin habe sie sich immer gefragt, warum es alle Menschen ans Meer ziehe, das, wie gerade die Nordsee zeige, auch ein sehr lebensfeindliches Element sein könne.