SWR2 Buch der Woche am 26.01.2015

Aus dem Amerikanischen von Susanne Held und herausgegeben von Larry Siems

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AUTOR/IN
Stefan Berkholz

Aus dem Amerikanischen von Susanne Held und herausgegeben von Larry Siems

Dieser erste Bericht eines Insassen des amerikanischen Lagers Guantanamo auf Kuba ist eines der wichtigsten Dokumente der letzten Jahre. Es gibt tiefe Einblicke in das Leben eines Opfers des Kampfs gegen den Terrorismus, den die USA seit 2001 führen. Es ist zugleich eine Anklage gegen die brutalen Methoden, die Folter, die im Namen und Auftrag der jeweiligen US-Regierungen angewandt werden. Atemlos folgt man den Aufzeichnungen Slahis, seinen Erinnerungen an die Jahre 2002 bis 2005, die er in der Zelle niederschrieb, in der er bis heute eingesperrt ist.

Dieser erste authentische Bericht eines Gefangenen aus dem Folterlager der US-Amerikaner auf Kuba, Guantanamo, ist ein Dokument für die Ewigkeit. Wir vernehmen eine Stimme aus dem Verborgenen. Wir begeben uns auf einen Horrortrip in die dunkelsten Regionen menschlicher Niedertracht. Dass dieser Bericht überhaupt veröffentlicht werden durfte, wenn auch mit vielen Schwärzungen, gleicht einer Sensation. Und man fragt sich, ob die Obama-Administration mit der Veröffentlichung etwas gutmachen möchte. In der Einleitung schreibt Herausgeber Larry Siems:

Die sensible Beobachtungsgabe mache diesen Text zum Zeugnis eines Schriftstellers, urteilt der Herausgeber. Mohamedou Ould Slahi wurde vom US-amerikanischen Geheimdienst und Militär als einer der Hauptverdächtigen der Anschläge vom 11. September eingestuft. In seiner Heimat Mauretanien wird Slahi Ende September 2001 verhaftet und von FBI-Agenten vierzehn Tage lang verhört. Er kommt frei, wird erneut vernommen. Dann wird Slahi von der CIA nach Jordanien verschleppt, siebeneinhalb Monate später nach Afghanistan. Im August 2002 landet der Gefangene schließlich in Guantanamo. Zehn Monate später, im Juni 2003, beginnt eine einjährige Tortur im sogenannten Folterblock des Gefangenenlagers:

Demütigungen, Entwürdigungen, pure Folter. Schlafentzug, sexuelle Belästigungen, Erniedrigung in allen Formen. Totalitäre Gewalt, ausgeübt von maskierten Tätern.

Dann bricht eines Tages ein "Kommandoteam" in den Vernehmungsraum ein, drei Soldaten und ein Schäferhund. Ein Überfallkommando, die Schläger sind maskiert.

Slahi versucht zu verstehen und sogar Verständnis für seine Peiniger aufzubringen. Er befragt das Wachpersonal nach seinen Motiven, bekommt Einblicke in die Hierarchiestrukturen, in denen einer zu spuren hat, will er nicht noch dreckigere Befehle ausführen. Und die Schreibtischtäter? Es gibt in diesem Dokument mehr als 2600 Schwärzungen. Die Namen der Vernehmungssoldaten sind getilgt. Doch der Herausgeber hat in seinen Anmerkungen allerlei aus anderen Dokumenten hinzugefügt. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld beispielsweise ordnete persönlich stundenlanges Stehen der Gefangenen an.

Slahi wurde gezwungen, permanent Unmengen Wasser zu trinken. Vom "psychologischen Zerrüttungseffekt" her sei es besser, wurde ihm verkündet, jemanden auf diese Weise wach zu halten und am Schlafen zu hindern. Entweder hatte er Essen hastig in drei Minuten hinunterzuschlingen oder ihm wurden monströse Portionen hingestellt, die er bis zum letzten Krümel verschlingen musste. Der menschliche Geist ist offenbar grenzenlos kreativ, wenn es gilt, zu foltern. Slahi reflektiert die allgemeine Situation.

In seinem Resümee schreibt Slahi:

Mohamedou Slahi sitzt noch heute in derselben Zelle, in der er seine Aufzeichnungen 2005 verfasst hat. Im März 2010 hatte ein US-amerikanisches Amtsgericht die Freilassung Slahis angeordnet. Die Obama-Regierung legte Berufung ein, das Bundesberufungsgericht gab den Fall an das Amtsgericht zurück, seitdem ist nichts entschieden. Weitere vier Jahre sind vergangen. Die Dokumentation ist die Chronik einer insgesamt dreizehnjährigen Freiheitsberaubung ohne Anklage und Gerichtsverfahren. Eine Schande für das sogenannte Land der Freiheit. Auf diese Weise züchten sich die US-Amerikaner ihre Feinde selbst heran, urteilt Slahi. In seinem Bericht werden FBI-Beamte ausdrücklich ausgenommen vom Vorwurf der Folter. In seinem Fall folterten Sonderkommandos des Militärs.

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Stefan Berkholz