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Judith Schalansky: Verzeichnis einiger Verluste

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„Denn der Mythos ist die höchste aller Wirklichkeiten“, steht in „Tuanaki“, der Auftakterzählung von Judith Schalanskys „Verzeichnis einiger Verluste“. Sie handelt vom Untergang eines Atolls in der Südsee und von dem Phantomschmerz über seine Abwesenheit. Und, so geht der Satz weiter, „so dachte ich für einen Moment, die Bibliothek ist der wahre Schauplatz des Weltgeschehens“.

Erzählungen mag man die zwölf Texte der Buchgestalterin und Schriftstellerin nicht nennen. Essays eigentlich auch nicht. Es sind literarische Verlustrechnungen, Welt- und Selbsterforschungen über Sapphos verschwundene Gedichte, Caspar David Friedrichs verbranntes Gemälde vom Hafen in Greifswald, über den Kaspischen Tiger und den Palast der Republik. Eine Kreuzung aus autobiografischen Exkursionen und Nature Writing. Eine Beschwörung der Macht der Literatur einzuspringen, wo die Geschichte etwas zum Schweigen gebracht hat. Eine Fortsetzung auch von Schalanskys Reise in die Randbezirke von Literatur und Wissen und mitten hinein in unsere Welt. Eine Reise, der wir schon so schöne wie weltweise-skurrile und international erfolgreiche Bücher wie den robinsonadenvollen „Atlas der abgelegenen Inseln“ verdanken oder „Der Hals der Giraffe“, ihren „Bildungsroman“, in dem eine Biologielehrerin vom Glauben an Darwin abfällt.

Begonnen hatte Schalansky als Kunstgeschichtlerin und Kommunikationsdesignerin, lehrte Typographie (ihr erstes Buch hieß „Fraktur mon Amour“). 2008 erschien ihr Romandebüt „Blau steht dir nicht“. Seit 2013 gibt sie die wahrscheinlich schönste und klügste deutsche Buchreihe heraus: „Naturkunden“. Ihr wie immer natürlich wunderschön gestaltetes, intellektuelle und haptische Lust verbreitendes „Verzeichnis einiger Verluste“ wurde mit dem Wilhelm-Raabe-Preis ausgezeichnet, da war es noch gar nicht erschienen.

Zur Autorin:

Judith Schalansky, 1980 in Greifswald geboren, studierte Kunstgeschichte und Kommunikationsdesign. Ihr Werk, darunter der international erfolgreiche Bestseller „Atlas der abgelegenen Inseln" sowie der Roman „Der Hals der Giraffe“, ist in mehr als 20 Sprachen übersetzt und wurde vielfach ausgezeichnet. Sie ist Herausgeberin der Reihe „Naturkunden" und lebt als Gestalterin und freie Schriftstellerin in Berlin.

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SWR