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Joachim Sartorius: Die Versuchung von Syrakus

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Kurz vor seinem 75. Geburtstag im März 2021 veröffentlichte Joachim Sartorius seinen Gedichtband „Wohin mit den Augen“. Das Fragezeichen hinter diesem Titel fehlt ganz bewusst, denn die Offenheit der Form entspricht der Offenheit des Blicks eines Menschen, der sich an der Welt noch nicht satt gesehen hat.

Es gibt kaum ein Buch des als Sohn eines Diplomaten geborenen, in Tunis, im Kongo und in Kamerun aufgewachsenen Sartorius, in dem sich nicht auch eine Hommage an Syrakus findet; an jene Stadt im Südosten Siziliens, in der Sartorius die meiste Zeit des Jahres lebt. Vor 2500 Jahren, so hat Sartorius es einmal formuliert, sei die Stadt „das New York des Mittelmeers“ gewesen.

Dieser Stadt kommt Sartorius nun in seinem neuen Buch auf die Spur, er lässt sich von und in ihr treiben; versucht, Syrakus in einem Porträt zu fassen, das der kulturellen und historischen Dimension gerecht wird und trotzdem nicht den Blick vor der Gegenwart verschließt.

Zu Beginn allerdings erzählt Sartorius, wie es ihn überhaupt nach Sizilien verschlagen hat, und das ist denkbar banal: Eine Erbschaft. Geld, das angelegt werden musste, am besten in einer Wohnung und am besten im Süden.

Nun ist Sartorius schon so lange in Syrakus, dass es ihm manchmal so vorkomme, als habe er die Gebäude, die Menschen, die er sieht, selbst erfunden. Sartorius führt durch Paläste und zweifelhafte Bars, spiegelt den Alltag in Werken der Kunstgeschichte und blickt immer wieder auf die Weite des Meers. Lebenshaltungen, unterschiedliche soziale Schichten und Berufe – für all das hat Sartorius ein feines Gespür. Und ein großes Sprachregister.

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SWR