Platz 8 (21 Punkte)

Sheila Heti: Reine Farbe

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Diskutiert auf Platz 5 der SWR Bestenliste Mai 2023

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Bekannt wurde die 1976 als Tochter ungarisch-jüdischer Immigranten in Toronto geborene Schriftstellerin mit ihrem 2019 erschienenen Buch „Mutterschaft“, einer Mischung aus Erzählung und autobiografischem Essay. Darin geht es um die Frage nach einem „erfüllten Nichtkinderwunsch“, damit verbundenen Schuldgefühlen, die Auseinandersetzungen mit der eigenen Mutter und allen anderen Fragen, die sich für eine Feministin im 21. Jahrhundert in Verbindung mit dem Komplex von Fortpflanzung und den damit verbundenen Konsequenzen ergeben.

Hetis neues Buch „Reine Farbe“ verlässt den Boden des Autobiografischen und überschreitet erneut die Genregrenzen. Dieses Mal handelt es sich um eine Mischung aus Märchen, Fabel, moderner Liebesgeschichte, realistischem Gegenwartsroman und philosophischem Traktat. Mira heißt die Hauptfigur, und sie teilt die Welt nach Vogel-, Fisch- und Bärenmenschen ein.

Sie selbst, scheu wie ein Vogel, liebt ihre Freundin Annie, ein soziales Schwarmtier. Der Bär ist Miras Vater, ein machtvoller Mensch. Den liebt sie auch. Als er stirbt, schlüpft seine Seele in Mira, und die beiden verwandeln sich in das Blatt eines Baumes. Eine Traumwelt, die zugleich aber ganz konkret die Gefahr der Zerstörung der Erde vor Augen hat.

Der Vogel hat im Übrigen die Fähigkeit, die Welt von oben betrachten zu können, sich einen Überblick zu verschaffen. Das ist einer der vielen Zugänge in dieses Buch, das als Versuch gelesen werden kann, einen so ästhetisierten wie ungeschönten Blick auf die Verhältnisse zu werfen  - und dabei literarische Kunst zu schaffen.

Buchkritik Sheila Heti – Reine Farbe

Der Vater liebt Mira, und Mira liebt Annie. Nach dem Tod des Vaters nistet sich seine Seele in Mira ein, wodurch sich beide gemeinsam in ein Baumblatt verwandeln. Willkommen im neuen verträumt-politischen Roman der Kanadierin Sheila Heti! Er heißt "Reine Farbe" und erzählt von der Liebe, von der Natur und vom Ende der Welt, die wir nach und nach zerstören.
Rezension von Stephanie Metzger.
Aus dem Englischen von Thomas Überhoff
Rowohlt Verlag, 224 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-498-00247-3

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