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Robert Menasse: Die Erweiterung

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Für seinen Roman „Die Hauptstadt“ wurde der österreichische Schriftsteller Robert Menasse im Jahr 2017 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Nun hat Menasse mit „Die Erweiterung“ sein EU-Schreibprojekt gen Osten ausgeweitet, und das auf rund 650 äußerst kurzweiligen Seiten. Es geht um Albanien, unter anderem. Und um den möglichen Beitritt dieses Staates in die Europäische Union.

Doch am Anfang steht zunächst ein Helm, der im Kunsthistorischen Museum in Wien ausgestellt ist und angeblich im 15. Jahrhundert dem albanischen Volkshelden Skanderbeg gehört haben soll. Weil nationalistisch getönter Populismus derzeit eine beliebte politische Strategie ist, um die eigene Machtbasis zu sichern, fordert nun der Präsident des Beitrittskandidaten die Herausgabe des Helms.

Seinem Verfahren, historisch belegte Fakten und fiktionalisierte Geschichtspartikel zu collagieren, bleibt Robert Menasse auch in seinem neuen Roman treu. Dies gilt auch für einen anderen Handlungsstrang: In der polnischen Widerstandsbewegung Solidarnosc waren Adam und Mateusz noch enge Freunde und Kampfgefährten. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gehen die beiden getrennte Wege: Während Adam in der Europäischen Kommission Karriere macht, steigt Mateusz zum polnischen Ministerpräsidenten auf, torpediert den EU-Beitritt Albaniens und schränkt in seinem eigenen Land die Freiheitsrechte nach und nach ein.

Die Beitrittskandidaten halten die proklamierten Werte der EU hoch; die Mitgliedsländer entwickeln sich zu autoritär geführten Staaten zurück. Am Ende findet sich die gesamte Politprominenz auf einem skurrilen Kreuzfahrtschiff auf hoher See und wird von einer mysteriösen Seuche heimgesucht. Das ist Menasses düstere Vision für das Projekt eines geeinten Europa.

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SWR