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Christine Wolter: Die Alleinseglerin

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Die Geschichte von Christine Wolters autobiografischem Roman ist ebenso interessant wie die seiner Autorin selbst. „Die Alleinseglerin“ erschien erstmals 1982 im Aufbau Verlag und war durchaus erfolgreich. Christine Wolter, Tochter des berühmten DDR-Architekten Hanns Hopp, der unter anderem an der Konzeption des Vorzeigeprojekts Stalinallee mitgewirkt hatte, war zu diesem Zeitpunkt bereits aus der DDR nach Italien ausgereist, weil sie sich in einen Mailänder verliebt hatte. Keine Flucht, sondern eine legale Umsiedelung, auf deren Bewilligung sie allerdings zwei Jahre hatte warten müssen. Bis dahin hatte die 1939 geborene Wolter als Spezialistin, Herausgeberin und Übersetzerin italienischer Literatur beim Aufbau-Verlag gearbeitet.

„Die Alleinseglerin“ erzählt von einer Vater-Tochter-Beziehung. Elf Jahre alt ist Almut, die Protagonistin des Romans, als der Vater die Familie verlässt. Nach seinem Tod erbt Almut vom Vater dessen Segelboot, das für ihre Verhältnisse eigentlich zu groß und zu kostspielig ist. Doch das Boot wird für Almut zu einem Symbol für Freiheit, Unabhängigkeit und auch Widerständigkeit gegen die äußeren Verhältnisse. Durchsetzen muss Almut sich auch gegen all die Ratschläge von Männern, die eine Frau als Seglerin und Bootsbesitzerin nicht akzeptieren wollen und sie mit verniedlichenden Kosenamen herabwürdigen.

Zugleich ist das Boot ein Träger von Erinnerung und der Auslöser für eine Auseinandersetzung mit dem systemtreuen Vater und der emotionalen Lücke, die erst sein Fortgang und später sein Tod hinterlassen haben. „Die Alleinseglerin“ wurde noch von der DEFA verfilmt und darf nun, vierzig Jahre nach Erscheinen, als durchaus zeitloser Klassiker neu entdeckt werden.

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AUTOR/IN
SWR