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Ian McEwan: Lektionen

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Der englische Erfolgsschriftsteller McEwan hat sich in seinen voran gegangenen Romanen eher gesellschaftlich-politisch aktuellen Themen gewidmet und zuletzt mit „Die Kakerlake“ eine bösartige Satire auf den Brexit und seine Befürworter geschrieben. Nun, im Alter von 74 Jahren, hat McEwan noch einmal zum großen Wurf ausgeholt und erzählt auf mehr als 700 Seiten eine Lebensgeschichte, die Parallelen zu seiner eigenen aufweist und in der ein Mann Bilanz zieht.

Es ist das Jahr 1986, das Jahr, in dem der Reaktor in Tschernobyl explodiert ist. Roland Baines, der als Pianist in einer Bar und mit anderen Gelegenheitsjobs durchs Leben kommt, ist von seiner Frau Alissa verlassen worden, die eine Karriere als Schriftstellerin starten will.

Nun sitzt Baines mit seinem gerade einmal sieben Monate alten Sohn Lawrence in London und denkt über die Ereignisse nach, die sein Leben bestimmt haben: Der Vater war in Libyen stationiert. Roland war elf Jahre alt, als die Eltern ihn in den 1950er-Jahren allein auf ein Internat nach England schickten. Zu seiner Klavierlehrerin Miriam Cornell entwickelte sich eine Beziehung, die auf dem Grat zwischen Missbrauch und Liebe balanciert. Ein Verhältnis, das Roland weitaus stärker geprägt hat als er es jemals hat wahrhaben wollen.

Die großen historischen Ereignisse, die Zeitgeschichte – all das läuft in „Lektionen“ wie selbstverständlich nebenher, und McEwan wirft die Frage auf, ob nicht die kleinen, scheinbar bedeutungslosen Dinge, die Zufälle und kleinen Wendungen, eine mindestens ebenso bedeutende Rolle spielen wie die vermeintlich einschneidenden Ereignisse. Eine Schicksalserkundung.

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SWR