Platz 3 (58 Punkte)

Andrea Tompa: Omertà

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In der 1971 geborenen Schriftstellerin Andrea Tompa sammelt sich, überspitzt gesagt, das Gemisch aus versprengten Minderheiten in Osteuropa: Tompa lebt in Budapest, ist aber eine ungarische Rumänin, deren Familie jüdische Wurzeln hat. Und ihr knapp 1000 Seiten umfassender, geradezu ungeheuerlich reicher und kluger Roman ist ein Spiegelbild der bewegten Geschichte, die jenen bis heute geradezu mythisch (und hin und wieder auch kitschig) angeschauten Landstrich namens Siebenbürgen umgibt.

Tompas Roman ist zwischen den Jahren 1948 und 1964 angesiedelt und erzählt die Lebensläufe von vier Menschen im stalinistischen Rumänien, einer Epoche der politischen Willkür, die den Nährboden bereitete für das spätere Ceausescu-Regime.

Die Hauptfigur ist ein Rosenzüchter, Vilmos Décsi, der am Stadtrand von Klausenburg lebt. Die anderen drei Charaktere, die jeweils aus der Ich-Perspektive ihre Geschichte erzählen, sind Frauen. Sie stehen auf unterschiedliche Weise in Verbindung mit Décsi: Die Bäuerin Kali flieht aus ihrer gewalttätigen Ehe, arbeitet als Aushilfe bei dem Rosenzüchter und wird von ihm schwanger. Die Halbwaise Annuschka wird später Décis Geliebte; am Ende spricht Annuschkas ältere Schwester, eine Nonne.

Der Hauptteil des Buches jedoch ist aus Vilmos‘ Perspektive erzählt. Es ist die Geschichte eines Aufsteigers, die zugleich die erzählte Epoche illustriert und charakterisiert, aufgeladen mit Details, unterfüttert von Opportunismus. So werden die Zeit und ihre Umstände, das Getriebe des Staates und das Procedere der Kollektivierung von Land und Besitz aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.

„Omertà“ ist im Übrigen das Wort, mit dem die italienische Mafia über ihre Mitglieder das Schweigegebot verhängt. Und das ist angesichts eines wuchtigen, umfangreichen Romans durchaus eine ironische Volte.

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AUTOR/IN
SWR