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Tove Ditlevsen: Gesichter

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Die Dänin Tove Ditlevsen, die 1977 im Alter von 58 Jahren Suizid begangen hat, war mit ihrem 1939 erschienenen Lyrikdebüt früh zu Ruhm gekommen. Der ökonomische Erfolg ermöglichte ihr ein in vielerlei Hinsicht unabhängiges Leben; unabhängig von der Gunst der Männer, aber auch vom Milieu ihrer Herkunft.

Im vergangenen Jahr hat der Aufbau Verlag in der Übersetzung von Ursel Allenstein Ditlevsens Kopenhagen-Trilogie in einer Neuauflage auf den Markt gebracht und damit einen großen Erfolg erzielt. Nun ist mit „Gesichter“ ein etwa in der gleichen Zeit wie die Trilogie entstandener, ebenfalls deutlich autobiografisch gefärbter Roman neu aufgelegt worden.

Die großen Themen, die sich durch „Kindheit“, „Jugend“ und „Abhängigkeit“, so die Titel der drei Romane, ziehen, finden sich auch in „Gesichter“ wieder: Lise Mundus ist eine erfolgreiche Kinderbuchautorin, finanziell abgesichert, dreifache Mutter, verheiratet. Kürzlich hat sie den Preis der dänischen Akademie erhalten. Doch plagen sie Ängste, Zweifel; sie wird geschüttelt von einer Schreibkrise und von Schlaflosigkeit. Ihr Mann hat Affären; eine davon nimmt sich das Leben, und Lise beschleicht die Ahnung, dass es ihr demnächst ebenso ergehen könnte. Sie lässt sich in eine Psychiatrische Klinik einweisen. Erst dort offenbart dieser aus der Ich-Perspektive erzählte Roman das ganze Ausmaß der inneren Verheerung der Protagonistin.

Ein mehr als 50 Jahre alter Roman, dennoch zeitlos. Als Ditlevsen starb, bewegte sich ein langer Trauerzug durch Kopenhagen. „Gesichter“ ist ein weiterer Beleg für ihren erzählerischen Mut.

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AUTOR/IN
SWR