Platz 5 (40 Punkte)

Esther Kinsky: Rombo

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Besprochen als Platz 2 der SWR Bestenliste April 2022

Die historischen Fakten: Am Abend des 6. Mai 1976 erschütterte ein schweres Erdbeben die norditalienische Region Friaul. Knapp 1.000 Menschen starben. Am 11. September des gleichen Jahres folgte ein weiterer Erdstoß, der weitere 30.000 Menschen obdachlos machte und viele bereits beschädigte Gebäude in der Region endgültig zerstörte.

Das wäre Stoff für Katastrophenromane und Heldengeschichten. Und es ist Stoff für Esther Kinsky, die nicht nur als eine bedeutende Übersetzerin gilt, sondern auch als Schriftstellerin, die den Begriff des Nature Writing in der deutschsprachigen Literatur auf eine neue Ebene gehoben hat. So auch in ihrem Roman mit dem lautmalerischen Titel „Rombo“, einem italienischen Ausdruck für das dunkel-grollende Geräusch, das einem Erdbeben vorausgeht.

Kinsky kreist in ihrem multiperspektivisch erzählten Prosastück um alles, was mit der Naturkatastrophe in Verbindung steht. Sie nimmt die Menschen und die Landschaft gleichermaßen in den Blick. „Ihre Lieblichkeit“, schreibt Kinsky, „verdankt die Landschaft einer gewaltigen Materialverschiebung, Gletscher, Felsen, Masse, die es bis hierhergebracht hat. Die Verschiebungen der Landschaft, die kleinen Veränderungen, Verwerfungen werden sprachlich exakt und poetisch zugleich erfasst.

Anhand von sieben Lebensgeschichten komponiert Kinsky zudem ein „Gedächtnis der Zerstörung“ – und schafft auf diese Weise ein Kunstwerk, das alle Sinneseindrücke gleichermaßen kunstvoll verarbeitet.

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SWR