Platz 6 (35 Punkte)

Yasmina Reza: Serge

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Yasmina Reza ist ein Superstar der Literatur und des Theaters. Sie gehört zu den meistgespielten Bühnenautorinnen der Welt. 1959 in Paris geboren, ist Reza die Tochter eines Iraners und einer jüdischen Ungarin; eine Information, die angesichts ihres neuen Romans „Serge“ durchaus von Bedeutung ist, nimmt Reza darin doch mit komödiantischem Gestus den aus ihrer Sicht bigotten Umgang mit der Schoa und der Erinnerung daran ins Visier.

In „Serge“ zeigt sich erneut Yasmina Rezas Vermögen zum radikalen Abräumen: Werte, die gesellschaftlich gesetzt zu sein scheinen, hintertreibt Reza und stellt sie auf den Prüfstand, sei es die Ehe, Familienangelegenheiten, Krankheiten – oder eben: Auschwitz.

Im Mittelpunkt des Romans stehen die Geschwister der Familie Popper. Jean, der Ich-Erzähler des Romans, verblasst in seiner Eigendarstellung gegenüber den beiden Geschwistern: Die jüngere Anna ist prätentiös und vom Vater stets verhätschelt worden; Serge, der älteste, arbeitet als Consultant und ist gerade von einer seiner Freundinnen vor die Tür gesetzt worden. Allesamt haben sie die 50 bereits überschritten.

Der Roman setzt mit dem Tod der Mutter, einer ungarischen Jüdin, ein, die vom Vater wiederum selbst für eine Antisemitin gehalten wurde, weil sie mit dem Staat Israel, den der Vater rückhaltlos verteidigt, nichts anfangen konnte.

Ziel- und pointensicher steuert der Roman auf einen gemeinsamen Auschwitz-Besuch zu. Darüber so böse und respektlos zu schreiben, können sich nur wenige leisten. Zum Beispiel Yasmina Reza.

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AUTOR/IN
SWR