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Emine Sevgi Özdamar: Ein von Schatten begrenzter Raum

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Im August feierte die Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar ihren 75. Geburtstag. Nun hat die in der Türkei geborene und in Berlin lebende Autorin ihren ersten Roman seit siebzehn Jahren vorgelegt. Es ist die Lebensbilanz einer Intellektuellen. 1976 kam Özdamar nach Deutschland, weil sie nach dem Militärputsch in der Türkei keine Perspektive mehr sah. Ihre 1982 abgeschlossene Komödie „Schwarzauge in Deutschland“ war das erste Werk einer türkischstämmigen Autorin, das an einer großen deutschen Bühne uraufgeführt wurde.

Dem Prosaschreiben wandte Özdamar sich erst später zu: 1991 gewann sie mit einem Auszug aus ihrem ersten Roman „Das Leben ist eine Karawanserei, hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus“ den Klagenfurter Ingeborg Bachmann-Preis. Die Ich-Erzählerin von „Ein von Schatten begrenzter Raum“ erlebt das libertäre Lebensgefühl der 1970er-Jahre in Paris, wird vom Theatermacher Benno Besson gefördert, arbeitet unter Claus Peymann in Bochum und wirft stets einen Blick nach Istanbul, wo die Eltern noch leben.

Die Frage nach der Wohnung ist eine geradezu metaphysische. Die Identitätserkundung besteht darin, dass die Erzählerin in der Sprache, in der Kunst, in den Dingen lebt. Özdamars Roman ist der Versuch, Kunst, politisches Denken und Sinnlichkeit noch einmal zu vereinen – bevor das Zeitalter der ideologischen Aufrüstung anbricht.

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SWR