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Bei Dao: Das Stadttor geht auf

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Noch immer ist das Riesenreich China von außen betrachtet ein undurchdringliches System, das zu verstehen oder zu erklären immer nur punktuell gelingt. Manchmal sind es dann doch die Schriftsteller und Dichter und nicht die Reporter oder Historiker, die einen Zugang zu einem fremd anmutenden Land ermöglichen, weil in ihren Erinnerungen alles gemeinsam aufscheint: das Private wie das Politische, das Sinnliche wie das rückblickend Analytische.

Der Schriftsteller Bei Dao wurde 1949 in Peking geboren und nach den Studentenprotesten auf dem Platz des himmlischen Friedens im Jahr 1989 des Landes verwiesen. Genauer gesagt: Weil seine Verse von Demonstranten und Regierungskritikern zitiert wurden, verweigerte man ihm nach einem DAAD-Stipendium in Berlin die Rückreise nach China. 2001 durfte er zurückkehren, um seinen im Sterben liegenden Vater zu besuchen. „Das Stadttor geht auf“ ist ein von Eitelkeit und Selbststilisierung wohltuend freies Memoir, in dem Bei Dao seine Kindheit und Jugend rekonstruiert. 1966 – Bei Dao war siebzehn Jahre alt – erlebte er in seinem persönlichen Umfeld die Auswirkungen der Kulturrevolution, gesteht aber auch in aller Offenheit seine eigenen Verfehlungen.

„Das Stadttor geht auf“ folgt keiner Chronologie, sondern ist in assoziative, thematische Erinnerungsketten gegliedert, in denen bedeutsame historische Ereignisse gleichberechtigt neben persönliche Erfahrungen gestellt werden. Beides spiegelt sich ineinander. Auf diese Weise entsteht eine Anschaulichkeit, wie man sie sonst selten findet, auch und besonders im Hinblick auf die Veränderungen, die die Stadt Peking in den vergangenen Jahrzehnten durchlaufen hat.

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AUTOR/IN
SWR