Cover des Buches Angelika Klüssendorf: Vierunddreißigster September (Foto: Pressestelle, Piper Verlag)

Platz 1 (80 Punkte)

Angelika Klüssendorf: Vierunddreißigster September

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Das Genre des so genannten Dorfromans erfreut sich in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit einigen Jahren einer beinahe schon unheimlichen Beliebtheit. Sollte dahinter eine Sehnsucht nach einer idyllischen Gegenwelt zur gereizten, aufreibenden Urbanität stecken, dann enttäuscht Angelika Klüssendorf in ihrem neuen Roman sämtliche diesbezüglichen Erwartungen auf elegante Art und Weise.

In ihren voran gegangenen Büchern hat Klüssendorf sich als eine Meisterin der vielsagenden Aussparungen erwiesen. In „Vierunddreißigster September“ hat sie ihr Verfahren weiter verfeinert. In einem ostdeutschen Dorf leben Hilde und Walter. Ihm wird ein tödlicher Hirntumor diagnostiziert; sie erschlägt ihn kurz darauf und verschwindet. Von dieser vermeintlich unerklärlichen Tat ausgehend, entfaltet Klüssendorf ein Panorama der Dorfbewohner, das stets auf der Grenze zwischen realistischer Beschreibung und Traumsequenzen balanciert. Als sei das nicht genug, geistert der tote Walter zusammen mit anderen Verstorbenen aus dem Dorf umher und reflektiert die vertanen Möglichkeiten seines eigenen Lebens.

So verdichten sich die atmosphärisch ungemein dichten Einzelsequenzen zu einem auch historisch aufgeladenen Gesamtbild, das den Alltag in Ostdeutschland in all seinen Erscheinungsformen inszeniert. Das ist manchmal komisch, manchmal tiefernst und immer erkenntnisreich.

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AUTOR/IN
SWR