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Colum McCann: Apeirogon

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Es gibt nicht allzu viele Schriftsteller, die sich ein ihnen biografisch prinzipiell fernliegendes Thema so aneignen können, dass daraus eine packende und glaubwürdige Geschichte wird. Der Ire Colum McCann zeigt nicht erst mit diesem Buch, dass er diese Fähigkeit beherrscht.

McCann erzählt von zwei Männern, deren Biografien erschüttert wurden: Rami ist Israeli, seine Tochter starb im Alter von dreizehn Jahren durch einen palästinensischen Selbstmordattentäter. Bassarans Tochter wiederum wurde rund zehn Jahre später von einem erst 18 Jahre alten israelischen Polizisten erschossen.

Der Autor legt in seiner Vorbemerkung Wert auf die Tatsache, dass beide Figuren realen Personen nachempfunden sind. McCann hat Gespräche mit ihnen geführt, aber auch viele Szenen frei erfunden. Aufregend ist neben dem Stoff an sich auch McCanns Erzählweise: Es sind kurze Kapitel, kaum eines länger als zwei Seiten, in dem er das Leben der beiden Männer und ihrer Familien nach dem Tod der Töchter wie in einem Kaleidoskop inszeniert. Dadurch gewinnt das Buch Anschaulichkeit und Rasanz.

Und ohne dass auch nur ansatzweise Kitschverdacht aufkommt, zeigt McCann, wie die beiden Männer, die nichts als der Schmerz miteinander verbindet, Freunde und gemeinsame Kämpfer für den Frieden werden, wie sie von ihren Familien angefeindet, gesellschaftlich stigmatisiert und sich als Nestbeschmutzer beschimpfen lassen müssen. Ein politischer Roman und der Versuch eines Brückenschlags.

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SWR