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Elizabeth Strout: Die langen Abende

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Wir kennen Olive Kitteridge aus Elizabeth Strouts Roman „Mit Blick aufs Meer“ aus dem Jahr 2009, der mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde. Wir kennen auch die idyllische Küstenstadt Crosby im US-Bundesstaat Maine, in der Olive als Mathematiklehrerin gearbeitet hat. Und wir kennen das literarische Verfahren von Elizabeth Strout, das mit dem verglichen wird, das Sherwood Anderson in seinem Klassiker „Winesburg, Ohio“ bereits in Perfektion vorgeführt hat: Ein episodischer Reigen von Geschichten, in dem sich die einzelnen Hauptfiguren kaleidoskopartig immer wieder zu neuen Konstellationen zusammenfinden und auf diese Weise Plastizität gewinnen.

Genau so funktioniert auch „Die langen Abende“, und obwohl das Prinzip vertraut scheint, ist es nahezu unmöglich, sich der Lektüre zu entziehen: „Olive, again“, lautet konsequenterweise der Originaltitel des neuen Romans. Olive, deren hervorstechende Eigenschaft ihre Strenge ist, ist mittlerweile Witwe und eine neue Beziehung mit Jack eingegangen, den sie schließlich auch heiratet. Elizabeth Strouts Kunst besteht darin, sich hemmungslos der Nostalgie und auch dem Sentiment hinzugeben, ohne auch nur in einem einzigen Augenblick sentimental zu werden. Was sie beschreibt, ist der Versuch des Glücklichwerdens im Alter. Die damit verbundenen erniedrigenden, peinlichen und deprimierenden Momente spart sie nicht aus.

Lebenswege kreuzen sich, Erfahrungen und Haltungen treffen aufeinander. Jeder trägt eine Menge biografischen Ballast mit sich herum. Und letztendlich kämpfen alle gegen die Angst vor der Einsamkeit.

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AUTOR/IN
SWR