Platz 6 (31 Punkte)

Xaver Bayer: Geschichten mit Marianne

Stand

„Ich bin mit den Verhältnissen nicht einverstanden“, sagte der Österreicher Xaver Bayer unlängst in einem Interview. Das ist auch seinem Roman deutlich anzumerken. Da ist der Ich-Erzähler, ein Schriftsteller. Da ist Marianne, seine Freundin. Ein Liebespaar in einer Welt, die bereits den Bach hinunter gegangen ist.

Die Stadt Wien ist in Aufruhr: Bei einem Perchtenumzug kommt es zu Ausschreitungen, Terroristen schießen wild um sich, Menschen werden auf Spaziergängen überfallen und durch den Wald getrieben. Und selbst eine Aufzugfahrt kann schnell in einen Alptraum von surrealer Dimension kippen.

Der Erzähler und Marianne wissen eigentlich, dass es vorbei ist. Sie schaffen sich Gegenwelten, Illusionsblasen, Rückzugsräume. Und sei es nur ein Abstellraum, eine Putzkammer in einem Museum, die als Zuflucht dient: „Hier“, so sagt es der Erzähler, „will ich bleiben, mit Marianne eine Familie gründen, leben, lachen, weinen, Feste feiern, und wenn die Stunde gekommen ist, will ich hier in Ruhe sterben, nicht mehr und nicht weniger.“

Aber will Marianne das auch? Und wer ist diese Frau überhaupt? Ist sie greifbar? „Geschichten mit Marianne“ steht in bester österreichischer Tradition einer Ich-Auflösung angesichts der Undurchdringlichkeit der Gegenwart. Traumvorstellungen und Realitäten verschwimmen im Bewusstsein des Erzählers. Die poetische Weltsicht ist eine raffinierte Form des Widerstandes gegen den Horror des vermeintlich so vertrauten Alltags.

Stand
AUTOR/IN
SWR