Der Franzose Éric Vuillard ist ein Spezialist für komprimierte, sprachlich enorm verdichtete und zugleich getriebene Romane, die bedeutende historische Ereignisse weniger nacherzählen als sie in erlebter Rede auf die handelnden Figuren verteilen und auf diese Weise anschaulich machen.
Der Clou daran ist tatsächlich, dass Vuillard niemals mehr als 150 Seiten braucht, sei es für den Tag der Französischen Revolution 1789, sei es für die Kongo-Konferenz im ausgehenden 19. Jahrhundert oder für das Geheimtreffen Adolf Hitlers im Februar 1933 mit Vertretern der deutschen Großindustrie. Für diesen Roman, der im Deutschen den Titel „Die Tagesordnung“ trug, erhielt Vuillard im Jahr 2017 den Prix Goncourt.
Vuillards neues Buch umfasst noch nicht einmal 70 Seiten, entfaltet aber eine ungeheure sprachliche Wucht, weil es eindeutig mit Wut geschrieben ist.
Sein literarisches Porträt des Utopisten, Sozialrevolutionärs und Theologen Thomas Müntzer stellt die übergeordnete Frage nach der Legitimität des Aufstands. Dürfen die Armen sich gegen die Armut und gegen die feudalherrschaftlichen Zustände, die sie hervorgerufen haben, mit Gewalt zur Wehr setzen?
Martin Luther hatte diese Frage verneint, Müntzer jedoch beteiligte sich in Thüringen als Agitator bei den Bauernaufständen und wurde dafür im Jahr 1525 hingerichtet.
Sein Zorn, so schreibt Vuillard, habe ihn auf das Schafott geführt. Mit dem gleichen Zorn, der sich aus Gerechtigkeitssinn speist, ist auch „Der Krieg der Armen“ geschrieben.