Platz 7 (34 Punkte)

Jon Fosse: Kindheitsszenen

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Jon Fosse, Lyriker, ungemein produktiver Dramatiker und 2015 mit seinem Prosabuch „Trilogie“ Gewinner des Literaturpreises des Nordischen Rats, tupft in diesem kleinen und ungemein aparten Buch Erinnerungen nebeneinander.

Fosses Prosa ist sinnlich, strukturiert von Gerüchen, Farberinnerungen, Bildern. Oft reichen nur einige wenige Zeilen, um Verhältnisse kenntlich zu machen: Der Vater schimpft den Sohn aus; daraufhin geht dieser nach draußen in den Schuppen, holt die Axt, stellt sie neben den Sessel und fordert den Vater auf, sich umzubringen.

Der lapidare Schlusssatz: „Wie zu erwarten, wird der Vater nur noch wütender.“

Die Großeltern nehmen breiten Raum in den Kindheitsszenen ein; mit zunehmenden Alter geht es um erste erotische Erfahrungen, um ein Mädchen, von dem der Erzähler Briefe mit Kussmündern; einmal gehen sie gemeinsam auf ein Konzert, einmal halten sie sich an den Händen.

Ein Jahr später hört der Junge, dass sie bei einem Unfall gestorben ist. Schnitt. Was dazwischen geschehen ist, bleibt außen vor; die Lücken haben Bedeutung.

Olav Christopher Jenssens Holzschnitte bilden eine optische Ergänzung zu Fosses Miniaturen. Ein aufwendig gestaltetes Erinnerungsalbum.

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AUTOR/IN
SWR