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Stewart O'Nan: Henry persönlich

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Der dritte Teil eines Romanprojekts, in dem Stewart O’Nan die Familie Maxwell und deren Mitglieder als Prototypen einer ins Rutschen geratenen amerikanischen Mittelschicht präsentiert und jedem Einzelnen zugleich den Freiraum für eine individuelle Entwicklung gestattet. In einer Epoche, in der der alte weiße Mann als Hauptverantwortlicher für eine verfehlte Weltlage insgesamt ausgemacht worden ist, rückt O’Nan einen eben solchen ins Zentrum eines knapp 500 Seiten starken Romans.

Wir schreiben das Jahr 1998, Henry Maxwell ist Mitte 70 und lebt mit seiner Frau Emily in einem Eigenheim in Pittsburgh. Er kann herrisch sein und störrisch. Er ist, das wird so deutlich betont, dass es kein Zufall sein kann, von Sternzeichen Jungfrau und mithin ein Mensch von phasenweise zwanghaftem Ordnungssinn. Von Beruf war er Ingenieur. Vor allem aber ist er ein Mensch, der sich selbst mit leiser Verzweiflung beim Altern zuschauen muss und gleichzeitig versucht, aufrecht zu bleiben. Seit 48 Jahren sind Henry und Emily verheiratet; im Verlauf des Romans werden es 49 Jahre sein.

O’Nan geht mit den beiden durch das Jahr und die Jahreszeiten, durch das Valentinstags-Festessen und Henrys 75. Geburtstag im September, durch den Familien-Sommeraufenthalt in Chautauqua, durch das Osterfest mit Kindern und Enkeln bis hin zu einem Weihnachtsfest, das die beiden zu zweit, aber nicht einsam verbringen. O’Nan betrachtet seine Figuren mit Genauigkeit, Respekt und Zuneigung, aber ohne verklärenden Weichzeichner. Mit Dezenz umkreist er das Alter und eine gealterte Liebe.

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AUTOR/IN
SWR