Ein Tagebuch, das wissen wir spätestens seit Thomas Mann, kann der Rang von Weltliteratur zuwachsen. Und, versteht sich, Kafka, der den Vorsatz zu Frank Witzels „Metaphysischem Tagebuch“, wie er es nennt, liefert:
Frank Witzel, der Buchpreisträger mit dem kompliziertesten und längsten Romantitel aller Zeiten, hat bis zum September 2018 nie Tagebuch geschrieben. Der Witz dieses Werkes: Witzel vertraut sich über zwei Monate hinweg dem Tagebuch an, vertraut aber selbst wiederum der Form des Tagebuchs nicht, weil er der Konsistenz und der Endgültigkeit des eigenen Denkens nicht traut, das durch das Aufschreiben manifestiert wird.
Der Auslöser für die Tagebuchaufzeichnungen ist beinahe banal: Eine Beziehungskrise. Und eine darauf folgende Schreibkrise. Was liegt näher, als das eigene Denken zu überdenken?
„Uneigentliche Verzweiflung“ ist ein radikales und auch mutiges Buch, weil es den Lesern gestattet, einem Schriftsteller bei einem möglichen Scheitern zuzuschauen und zugleich in den intimen Raum seiner Gedankenwelt vorzudringen, seine Lektüren, Quellen, Trigger.
Wenn es so etwas gibt wie eine private Poetikvorlesung – das hier ist eine.